Ein Ortsschild erzählt seine Geschichte


Dormecke, ein Dorf "zwischen den Welten"


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(C) Wilhelm Feldmann

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Ein Ortsschild erzählt seine Geschichte.
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Im Fundus des DampfLandLeute-Museums wurden in Jahrzehnten einige Dinge zusammengetragen, deren Herkunft und Bestimmung nicht bekannt und oft nur ein Kopfschütteln oder Achselzucken hervorrufen. Nicht alle Exponate wurden gelistet und archiviert oder können im Museum ausgestellt sein. Diese landen hier als Lagerbestand, weil sie alt und historisch bedeutsam erscheinen. Nicht selten entfachen sie Neugierde und im besten Fall bahnt sich eine Recherche an, die Klarheit bringen soll. 

 

Nun, der Mensch kann schließlich nicht alles wissen. Er hat seine Grenzen. Aber das Schöne daran ist, dass er ständig lernen und sich weiterentwickeln kann, auch mit den kleinen unscheinbaren und einfachen Dingen, so wie an einem alten Stück Blech.

 

Da steckt eine Geschichte dahinter

Wenig spektakulär erschien jenes Blechschild, welches man unlängst aus dem museumseigenen Fundus fischte. Unverkennbar war es ein Ortsschild, - eine Ortstafel. Eigentlich ist’s kein seltenes Objekt, begegnen wir es doch mehrmals täglich im Straßenverkehr. Gewohnt im grellen Gelb mit schwarzer Aufschrift steht es immer am Ein- und Ausgang der Dörfer und den Städten. Dieses aber, was wir fragend in unseren Händen halten, unterscheidet sich von den bekannten, nicht nur in seiner Farbgebung. Auch die Aufschrift liest sich ungewohnt und lässt erahnen: Da steckt eine Geschichte dahinter!

 

Aus einem Stück Blech, welches mit einer Schicht Emaille bezogen wurde, entstand einst dieses Ortsschild. Es ist eine Tafel mit blauem Grund, auf die mit weißer Farbe eine Schrift aufgebracht wurde. Die Zeit hat erkennbar an ihr genagt. Da, wo der Emaille-Bezug abgeplatzt war, hat man kurzerhand mit einem Pinsel ausgebessert. So kann man es noch heute lesen und erfahren, wo es einst seinen zugedachten Platz hatte: 

 

Im kleinen Dorf Dormecke, an der Straße gelegen, hing es noch unübersehbar bis Anfang der sechziger Jahre an der Fachwerkwand eines Nebengebäudes, das zum Hofgrundstück der Familie Gerke gehört. Neben einer kleinen Landwirtschaft betrieb sie hier an zentraler Stelle, in des Dorfes Mitte, eine Pension für „Sommerfrischler“. 


Für Ortsfremde gedacht

Hier hing die Ortstafel von Dormecke, angebracht an der Dorfstraße am Gebäude der Pension Gerke
Hier hing die Ortstafel von Dormecke, angebracht an der Dorfstraße am Gebäude der Pension Gerke

Es hat schon einen Sinn gehabt, irgendwann diese Ortstafel anzuschlagen: Es war zweifelsohne eine Orientierungshilfe für Ortsfremde in einer Zeit, wo sich Fahrrad- und Automobilclubs gründeten, um sich für die Interessen von Reisenden einzusetzen.

 

Auch der Sauerländer Gebirgsverein (SGV), im Jahr 1891 gegründet, sah sich als erster Fremdenverkehrsverein der näheren Heimat und vermittelte, weil endlich auch das Dampfross das Sauerland erreicht hatte, Unterkünfte für erholungsbedürftige Städter.

 

Doch seine Hauptaufgabe sah der Verein darin, die Schönheit des Heimatgebietes zu erschließen. Es bedurfte einigen Kraftaufwand der Mitglieder, Wanderwege anzulegen und zu markieren, Wanderkarten auszuarbeiteten und da, wo es notwendig erschien, Wegweiser und Ortstafeln in den Dörfern auf eigene Kosten aufzustellen. 

 


Vorerst keine Normen und Vorschriften 

Das aktuelle Ortsschild von Dormecke, Verkehrszeichen nach der StVO
Das aktuelle Ortsschild von Dormecke, Verkehrszeichen nach der StVO

Naturgemäß waren diese Ortstafeln nicht einheitlich gestaltet, da es damals dafür noch keine amtlichen Normen und Vorschriften gab. So unterschieden sie sich in Farbgebung, Schriftbild und Inhalt. 

 

Eigentlich kannte schon das antike Rom, steinerne Wegweiser entlang der Straßen (latein: „via“), die Orientierung brachten und in den Städten gaben beschriftete Marmorplatten den Namen des Ortes preis.

Auch in Westfalen war es seit preußischer Zeit Anfang des 19. Jhd. nicht unüblich, Ortstafeln an markanten Punkten – meist im Ortskern, am Marktplatz oder Rathaus anzubringen. Der Ortsname wurde dann oft ergänzt mit den dazugehörigen Verwaltungseinheiten, genauso wie es auf dem Dormecker Schild zu lesen ist.

 

Erst seit den dreißiger Jahren kennt man die heutige, genormte und einheitliche Erscheinungsform, die „den Anforderungen des motorisierten Verkehrs“ entspricht: Schwarze Schrift auf gelbem Grund. 1934 wurde im Deutschen Reich das Hinweisschild zur Ortserkennung zum Verkehrszeichen erweitert und in die Straßenverkehrs-Ordnung aufgenommen. Es wurde zum Gebotszeichen zur Einhaltung einer Verkehrsregel, welche die „eingeschränkte Geschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft“ vorschreibt.  


Ein preußisches Gesetz bringt Ordnung

 

Im Jahr 1843 führte die Preußische Regierung die „Landgemeinde-Ordnung“ für die Provinz Westfalen ein. Dadurch wurde der bis dahin bestehende Landkreis Meschede neu geordnet und in sechs Amtsbezirke unterteilt. Dazu zählten Eslohe, Eversberg, Fredeburg, Meschede, Schmallenberg und auch Serkenrode. Die Ämter bestanden aus mehreren Gemeinden, die Selbstverwaltungsaufgaben in eigener Verantwortung regeln konnten. Das Amt Eslohe setzte sich damals aus den Gemeinden Eslohe, Cobbenrode, Reiste und Wenholthausen zusammen. 

 

Dormecke gehörte zur Gemeinde Schliprüthen (01). Diese bildete mit den Gemeinden Schönholthausen und Oedingen das Amt Serkenrode, welches seit 1843 zum Kreis Meschede in der preußischen Provinz Westfalen zählte.

 

Die Beschriftung der Ortstafel von Dormecke spiegelt das wider:

„Ort Dormecke – Gemeinde Schliprüthen – Amt Serkenrode – Kreis Meschede“ 

 


Nahezu 130 Jahre gehörte Dormecke zum Kreis Meschede

Postkarte der Fremdenpension Gerke in Dormecke
Postkarte der Fremdenpension Gerke in Dormecke

Diese Verwaltungsstruktur überlebte eine lange und bewegte Zeitspanne von fast 130 Jahren: Die Revolutionsjahre 1848/49, der deutsch-französischen Krieg 1870, der Erste Weltkrieg 1814-1818, das Ende des Kaiserreiches und die Gründung der Weimarer Republik, der Zweite Weltkrieg 1939-1945, die schwierigen Nachkriegsjahre, die Teilung Deutschlands und die Gründung der Bundesrepublik. Das alles konnte sie nicht erschüttern, der Struktur nichts anhaben. Und so blieb Dormecke’s Ortstafel immer aktuell. 

 

Das aber änderte sich im Jahre 1969. Der erste Teil der Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen, auch „Kommunale Neugliederung“ genannt, trat in Kraft. Ziel war die Bündelung der zahlreichen kleinen Gemeinden jeweils zu einer Großgemeinde. Die Amtsbezirke bisheriger Form wurden abgeschafft und die Kreise neu geordnet. Der Kreis Olpe wurde im ersten Teil der Reform berührt und das hatte Folgen für die kleinen Gemeinden und den dazugehörigen Dörfern im Randgebiet zwischen den Kreisen: 

 

Das Amt Serkenrode wurde aufgelöst und die Gemeinde Schliprüthen, die bislang ein Teil davon war, nach Finnentrop eingemeindet. Dadurch wurde auch Dormecke betroffen und bisher zum Kreis Meschede gehörend, nun dem Kreis Olpe zugeordnet. Das Dorf wurde von diesem „Schicksal“ nicht allein betroffen: Auch die im „Hinterland“ des Kreises Meschede liegenden Dörfer Schwartmecke und Leckmart, bisher zur Gemeinde Oedingen gehörend und damit von der Auflösung des Amtes Serkenrode betroffen, wurden nun zum „Hinterland“ des Kreises Olpe. 

 

Die Bewohner dieser Dörfer taten sich schwer mit dieser Neuordnung, einer politisch gewollten Entscheidungsfindung. Im praktischen Alltag veränderte sich einiges für die betroffenen Dorfbewohner. Die Entfernung zur Kreisstadt Meschede war kürzer als nach Olpe. Behördengänge erforderten nun ungewohnten Aufwand und Zeit, zumal viele ihre Arbeitsstelle in Eslohe gefunden hatten, dort ihre Einkäufe tätigten und die vertrauten Busverbindungen hin zur Kreisstadt nutzen konnten. Diese Annehmlichkeiten schienen nun Geschichte zu sein und das erregte offene Missstimmung in den betroffenen Dörfern. 


Es regelte sich alles nach sechs Jahren

 

Das zweite Neugliederungsprogramm, bestehend aus verschiedenen Neugliederungsgesetzen der jeweiligen Räume, ließ nicht lange auf sich warten. Das „Sauerland/Paderborn- Gesetz“ war das letzte und wurde am 5.11.1974 verabschiedet. In diesem Gesetz, dem ein langes politisches Geschacher vorausging, wurden die heute zum Hochsauerlandkreis gehörenden Städte und Gemeinden neu gebildet. Die alten Kreise Arnsberg, Brilon und Meschede wurden aufgelöst und zu einem neuen Gebilde, dem Hochsauerlandkreis, zusammengefasst. Dabei erreichte man Grenzänderungen hin zum Kreis Olpe, von denen u.a. auch die Gemeinde Finnentrop betroffen war. Diese musste zum 1.1.1975 das Dorf Dormecke an die Gemeinde Eslohe und damit an den neu gebildeten Hochsauerlandkreis abtreten. Selbiges betraf auch Schwartmecke und Leckmart, die nun nach sechs „unglücklichen Jahren“ wieder zur Kreisstadt Meschede, dem Verwaltungssitz des neuen Hochsauerlandkreises, angegliedert wurden.  

 

Am Rand des Hochsauerlandes idyllisch gelegen: Das Dorf Dormecke (SW-Foto coloriert mit KI Unterstützung)
Am Rand des Hochsauerlandes idyllisch gelegen: Das Dorf Dormecke (SW-Foto coloriert mit KI Unterstützung)

Anfang 2025 knallen in Meschede die Sektkorken

 

Am 1. Januar 2025 besteht das politisch konstruierte Gebilde namens Hochsauerlandkreis fünfzig Jahre. Es darf also gefeiert werden! Das Auffinden der Ortstafel von Dormecke und die Beschäftigung mit deren Geschichte hat uns bis in die heutige Zeit und zum HSK- Jubiläum geführt. Dennoch bleibt die Frage offen, wann jene Ortstafel in des Dorfes Mitte angebracht wurde. War es wohlmöglich schon zur preußischen Zeit oder erst am Beginn des Fremdenverkehrs im hiesigen Raum? Die Frage blieb leider unbeantwortet. 

 


Anhang:

 

01.  Schliprüthen, bereits 1150 urkundlich erwähnt, war im Laufe seiner Geschichte kein unbedeutender Ort. Auch kirchengeschichtlich bildete es ein eigenes Kirchspiel und war u.a. mit Fehrenbracht und Dormecke bis zum Jahre 1186 in einem Pfarrkapellen-Sprengel „Schliprüthen“ zusammengefasst.