Gelehrte und Künstler




Die dritte Generation:

# Dr.phil. Ludwig Wüllner, Sänger, Schauspieler, Rezitator

# Josefa Wüllner

# Anna Wüllner-Hoffmann, Sängerin, Musiklehrerin

Ein Zitat über Ludwig Wüllner, dessen Großvater von Nurks Hof in Sallinghausen stammte:

 

Er wollte die Ganzheit der klingenden Künste in sich erleben, deshalb wurde er zum Komponisten, Dirigenten, Violinspieler, zum Lieder- und Bühnensänger, zum Sprecher und Schauspieler, in jeder Spielart fesselnd, weil er sich nie selbst aufgab …

 

 

Geehrt in einer „Unterhaltungsbeilage“

Symbolbild, nach Vorgabe mit KI generiert: Der junge Ludwig beim Violinspiel mit seinem Vater, dem Musiker Franz Wüllner
Symbolbild, nach Vorgabe mit KI generiert: Der junge Ludwig beim Violinspiel mit seinem Vater, dem Musiker Franz Wüllner

 

Der Stolz der Münsteraner auf den berühmten Sohn ihrer Stadt kommt zum Ausdruck in der Ausgabe „Der Erzähler“ vom 2. Mai 1921, eine Unterhaltungsbeilage zum Münsterischen Anzeiger, anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel an dem Geburtshaus des Musikers Franz Wüllner in Münster. 

 

Doch auch der vielseitig begabte und gefeierte Sohn des Komponisten, Dr. Ludwig Wüllner, erfuhr in diesen Tagen hier hochachtungsvolle Erwähnung. Es folgte eine kurze Vita seines bis dahin gegangenen, bereits bedeutenden Lebensweg als großer Künstler seiner Zeit: 

 

Dr. Ludwig Wüllner kam nach seiner, am 19. August 1858 in Münster im Haus seiner Großeltern erfolgten Geburt schon bald nach Aachen und teilte später mit seinen Eltern deren Wanderschicksal. Er hielt aber Münster, sein schlichtes Geburtshaus und seine dort im Jahre 1886 verstorbene Großmutter Josephine Wüllner, geb. Winkelmann, in lieber Erinnerung und Verehrung, sodass er nach Absolvierung seiner germanistischen Studien in Münster, Straßburg und Berlin, wo er zum Dr. phil. promovierte, sich 1884 entschloss, sich in seiner Vaterstadt Münster als Privatdozent für Germanistik niederzulassen“. 

 

Als vielseitig begabter junger Mann haderte Ludwig stets damit, welchen Weg er gehen, welche beruflichen Ziele er verfolgen solle. Die ursprüngliche Empfehlung seines Vaters, sich der Wissenschaft und Forschung, so wie es sein Onkel Adolf Wüllner als Physiker in Aachen mit Erfolg praktizierte, zuwenden, fiel bei Ludwig auf wenig fruchtbaren Boden. 

 

Die vom Großvater und Vater her auf ihn überkommene Liebe zur Musik und Schauspielkunst trieb den jungen Privatdozenten 1887 nach Köln, wo er an dem von seinem Vater geleiteten Konservatorium Gesang- und Musikstudien machte. Wüllners hervorragende Leistungen als Sänger waren insofern erstaunlich, weil seine Stimmmittel keineswegs ergiebig waren. Er hatte in seinen jungen Jahren einen stockenden Redefluss, den er mit einer Therapie überwand. 


Erste "stumme Rollen" am Meininger Hoftheater

 

Nach dem Tode der Großmutter, die ihn nicht als Schauspieler auf einer Bühne sehen wollte, fühlte er sich nicht mehr verpflichtet, seinen inneren Wunsch Schauspieler zu werden zu unterdrücken. So führte ihn 1889 sein Weg nach Meiningen, wo er nach anfänglichen Schwierigkeiten als Schauspieler, wenn auch zuerst für stumme Rollen beim Hoftheater angenommen wurde.

Bald ist Ludwig von seiner Theaterrolle wenig begeistert, doch er bekommt noch Gelegenheit, sein bisher noch verstecktes Schauspieltalent zu zeigen:

In tragenden Rollen beweist er in den nächsten Jahren sein Können und bereist mit der Meininger Theatertruppe ganz Europa. Dem Hoftheater gehörte Ludwig Wüllner bis zum Jahre 1895 an. Zuletzt spielte er dort mit großem Erfolg erste Helden- und Charakterrollen. Im Ganzen hat er in den sieben Meininger Theaterwintern 108 verschiedene, davon 56 erste Rollen dargestellt. 

 

 

Der gebürtige Westfale geht auf Tournee 

 

Nach dem Ausscheiden aus dem Meininger Ensemble trat er jeweils mit großem Erfolg als stimmgewaltiger Rezitator, dann als Sänger auf. Alle Angebote, sich fest an einen Ort zu binden, schlug er aus und entschied sich für ein Reiseleben: 

1903 absolvierte er hintereinander sieben Konzerte in der Londoner Westminster Cathedral. Es folgten Reisen durch die Baltischen Provinzen, nach Petersburg und Moskau, jährlich große Tourneen durch ganz Holland. Dann begannen zwei Nordische Tourneen, die in die größeren Städte Dänemarks, Schwedens und Norwegens führten, insgesamt 43 Abende umfassend. Zum Abschluss wurde Ludwig Wüllner 1907 zum Mitglied der Kgl. Musikakademie in Stockholm ernannt. 



Grandiose Erfolge in der Neuen Welt

In Amerika traf Ludwig Wüllner auch mit Verwandten zusammen, vermutlich nach einer Aufführung in Detroit. Es waren die Nachkommen des 1850 von Nurks Hof in die Neue Welt ausgewanderten Franz Joseph Wüllner (1824-1917). Dieser war der Neffe von Ludwigs Großvater Johannes Franz Wüllner. (Zitat aus dem Brief vom 5.8.1929 der Josepha Wüllner an Wilhelm Feldmann, meinen Großvater: „Mein Bruder wird in Amerika wohl Kinder dieses Franz Joseph Wüllner angetroffen haben …“)

 

 

 

Drei ausgedehnte Konzertreisen führten Ludwig Wüllner auch nach Amerika, wo er seine vielfältige Kunst erfolgreich darstellen konnte:

 

Die "First American Season" begann im Herbst 1908 und dauerte einige Monate. Dann ging Wüllner erneut von Oktober 1909 bis Mitte Juni 1910 auf Amerika-Tournee und zuletzt im Herbst 1911. Von New York bis San Francisco, durch 84 Städte der Vereinigten Staaten, führten seine Reisen, in denen er 328mal auftrat und Lieder von Schubert, Brahms, Schumann und Hugo Wolf sang. 

 

An seinen großen Erfolgen hatte sein Begleiter Coenraad Valentyn Bos  großen Anteil.  Dieser war ein großartiger Pianist und Sänger aus den Niederlanden (1875-1955).



Ludwig Wüllner: Aufführung 1927 in der Figur des Faust von Goethe
Ludwig Wüllner: Aufführung 1927 in der Figur des Faust von Goethe

 

 

Auch in Vinyl gepresst

 

 

In den Jahren 1916/17 war Ludwig Wüllner Mitglied des Wiener Burgtheaters, wo er große Rollen spielte. Damit einher gingen Vortragsabende und Konzerte in Wien und anderen österreichischen Städten. 

Ein Engagement am Deutschen Theater und an der Volksbühne in Berlin fügte seinem Repertoire weitere, neue Rollen hinzu. 1919 stellte er in einem Passionsspiel den Christus dar. Berühmt wurden vor allem seine Schubert-Abende, seine melodramatischen Darbietungen und seine Rezitationen Goethe‘scher Dichtungen, welche auch aufgenommen und in Schallplatten gepresst der Nachwelt erhalten blieben. 

 

Hier kannst Du eine historische Aufnahme aus dem Literarischen Archiv der Deutschen Grammophon Gesellschaft anhören. Ein wenig fremd und absonderlich klingt uns die Stimme des einst als "Fürst unter den Rezitatoren" genannten Ludwig Wüllner. Es ist ein Zeugnis einer fruchtbaren Aera der hochdramatischen Kunst. 

Ich habe ein paar Worte dem eigentlichen Kunstgenuss vorausgesetzt. Höre selbst und drücke den Button!



Seine letzten Jahre

 

Auf Vorschlag der Preußischen Akademie der Künste in Berlin bewilligte der preußische Staat im Dezember 1934 Ludwig Wüllner einen jährlichen Ehrensold in Höhe von 2.000 RM. Dennoch kannte er keine Rast in den Bemühungen, seine Kunst weiter seinem treuen Publikum darzubieten:

 

Noch im Frühjahr 1937 gab der 79-jährige Wüllner ein zehntägiges Gastspiel in Leipzig. Zu Beginn der Saison widmete er Schubert und Brahms eine Anzahl Liederabende, dann folgten Rezitationsabende in fast allen deutschen Städten und Theaterabende. In seine Vortrags-Programme nahm er Märchen von Andersen, Grimm und Wilde auf. 

 

Anna Wüllner-Hoffmann
Anna Wüllner-Hoffmann

Ludwig Wüllner gestaltete in den letzten Lebensjahren, manchmal gemeinsam mit seiner Schwester Anna Wüllner, später Wüllner-Hoffmann, die für ihn eine vertraute „Mitkämpferin in dem ewigen Kreuzzuge der Kunst“ war, Abende mit seinen künstlerischen Darbietungen.

 

Anna war eine vorzügliche Sprecherin, nachdem sich ihre solistische Gesangslaufbahn durch falsche Stimmbildung zerschlagen hatte.

Sie wurde als Lehrerin für Gesangsausbildungsklassen im Berliner Konservatorium verpflichtet. 

 

 

 

Für sie und Schwester Josefa Wüllner hat der persönlich anspruchslose Bruder lebenslang vorbildlich gesorgt. Alle drei blieben eng miteinander verbunden.

 

 

 

Wüllners letzter Auftritt war am 7. März 1938, ein Vortragsabend in der Stadthalle in Hannover. Er verschied nach kurzer Krankheit in Kiel.

Es war am 19. März 1938, als der Tod ihn mitten aus seiner vielgestaltigen Tätigkeit fortnahm. 



Eine ausführliche Lebensbeschreibungen über den Barden Ludwig Wüllner, Sohn des Musikers Franz Wüllner, fand ich erstaunlicherweise im Internet. Nicht kopiert, aber vollständig und unverändert abgeschrieben habe ich aus der österreichischen Webseite www.tamino-klassikforum.at und die darin öffentlich zugänglichen Beiträge mit dem Obertitel „Der Musikgräber“.

Hier werden die noch vorhandenen Grabstellen bekannter Musiker, wie Komponisten, Sänger und Sängerinnen, Kapellmeister und Dirigenten aufgesucht und die Biografie des bzw. der Verstorbenen geschildert. 

Die Recherchen über die beiden, Vater und Sohn Wüllner, hat der Redakteur dieser Webseite erstellt und offensichtlich Zugriff auf die biografischen Hinterlassenschaften gehabt. Es ist eine Fleißarbeit, die sich jeweils dem umtriebigen Leben der Protagonisten würdig erweist. Chapeau, dem Autor, der sich einen fiktiven Namen, ein Pseudonym, gegeben hat: Er nennt sich schlicht und einfach nur „hart“! 

Download
Biografie Ludwig Wüllner von hart.pdf
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Josefa Wüllner, seine Biografin und Unterstützerin

Josefa Wüllner blieb wie ihr Bruder unverheiratet. Auch wenn sie an dem Reiseleben ihres Bruders nicht aktiv teilnahm, so kümmerte sie sich in vielfältiger Weise um ihn. Sie war für ihn eine „treue Hüterin seines Hauses“. Dazu gesellte sich Gertrud Jahn-Kirmse als unermüdliche Helferin, die nach dem Tod von Ludwig Wüllner „die Spuren seines Erdendaseins“ sichtete und hütete, den greisen Künstler in seinen letzten Jahren mit weiblicher Güte umhegte und ihm die kleinen Hemmnisse des Alltags aus dem Wege räumte, damit er am Abend wieder mit „wehendem Haar“ auf die Bühne treten konnte, "um den Menschen ihre Meister zu künden".  

Christine Koch, geb. Wüllner aus Herhagen (Gemeinde Eslohe) war Lehrerin und verfasste als Lyrikerin viele Gedichte und Geschichten in sauerländischer Mundart. Sie war mit den Wüllners verwandtschaftlich verbunden.
Christine Koch, geb. Wüllner aus Herhagen (Gemeinde Eslohe) war Lehrerin und verfasste als Lyrikerin viele Gedichte und Geschichten in sauerländischer Mundart. Sie war mit den Wüllners verwandtschaftlich verbunden.

Josefa und ihr Bruder Ludwig regten gemeinsam an, dass der über Jahrzehnte geführte Briefwechsel zwischen ihrem Vater, dem Musiker Franz Wüllner, und dessen Freund Johannes Brahms im Jahre 1922 in Buchform herausgegeben wurde.

 

Im Jahre 1928 bemühte sich Josepha Wüllner mit Eifer, die Ursprünge ihrer Vorfahren zu erforschen. Sie beabsichtigte zur Feier des 70sten Geburtstages ihres Bruders Ludwig eine Familienchronik zu erstellen und besann sich zu den Wurzeln ihrer Familie im Sauerland. Es entspann sich ein intensiver schriftlicher Austausch zwischen ihr und meinem Großvater Wilhelm Feldmann: „Es würde dies eine so schöne Erinnerung für meinen Bruder an längst vergangene Zeiten sein …“, schrieb sie zu Pfingsten 1928 von Berlin, Altonaerstraße 32 III nach Sallinghausen. Auch zu Christine Koch, geborene Wüllner aus Herhagen (1869-1951) nahm sie Kontakt auf, da auch deren Vorfahren (Altvorderen) aus Sögtrop stammten. Brief vom 5.8.1929 an Wilhelm Feldmann: „An Frau Christine Koch habe ich vor etlichen Wochen geschrieben und der „Sunnenried“, ihre fein empfundenen ersten Gedichte, machen uns Freude!“ Da das alte Pfarrhaus der Pfarrgemeinde Kirchrarbach 1795 bis auf die Grundmauern herab durch einen Brand zerstört wurde, sind alle Kirchenbücher vernichtet worden, sodass genaue Kunde von dort sicher nicht zu erwarten war. Dennoch konnte Josepha ihrem Bruder mit der von ihr verfassten Familien-Chronik eine große Freude machen, was sie im September 1928 ins Sauerland schrieb. Im letzten Briefkontakt, ein Jahr danach, schrieb sie aus ihrem Waldhaus „Haus Friede“ in Jessen/ Elster (Sachsen-Anhalt) „Wir Geschwister haben hier im kleinen Waldhaus gemütliche Wochen verlebt – trotz größter Hitze! In der nächsten Woche gehen wir nun nach Berlin in unsere verschiedenen Pflichten zurück.“ 

 

Danksagung Ludwig Wüllner nach seinem 70sten Geburtstag.
Danksagung Ludwig Wüllner nach seinem 70sten Geburtstag.