Im Eingangsbereich der Ausstellung „Das Land und die Arbeit“ befinden sich gleich zwei Exponate, die das Interesse der Museumsbesucher wecken. Es ist der erste von vielen Blickfängen, die das DampfLandLeute-Museum bieten kann. Da stehen ein Kutschwagen und vis-a-vis ein ebenso gut erhaltener offener Jagdschlitten, der manchen zum Hineinsetzen lockt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht klar wird, beide Fahrzeuge haben mehr gemeinsam, als es scheint. Die mit Hingabe restaurierten Ausstellungsstücke haben ziemlich dasselbe Alter auf dem Buckel. Sie werden jetzt ihre einhundert Jahre zählen und sind Schenkungen ihrer ehemaligen Besitzer, die ihren Schatz nun in guten Händen wissen. Doch eine weitere Gemeinsamkeit stellt sich heraus, über die dieser Aufsatz Auskunft geben wird.
Im Jahre 1992 gab der Pferde- und Kutschenliebhaber Josef Hoppe aus Sögtrop seine Kutsche in die Obhut des Museums. Das Objekt war damals in keinem guten Zustand. Arg ramponiert konnte sie im Jahr 2000 wieder restauriert werden.
Sie präsentiert sich heute als eine typische „Münsterländer Kutsche“, die durch ein besonderes Merkmal besticht: Bei schlechtem Wetter kann Kutschbock und Fußstütze um- bzw. eingeklappt werden. Der Kutscher lenkt die Pferde dann vom Inneren der Kabine aus, indem er ein Fenster öffnet und die Zügel hindurchführt. Zwei Schwengel, auch Ortscheit genannt, befinden sich vorne an der Zugdeichsel und ermöglichen das Anspannen von zwei Pferden, also einem Gespann. Die bereitstehende Zugschere beweist, dass diese Kutsche auch von einem einzelnen Tier bewegt werden konnte. Die leichte Bauweise ließ das zu. Vorteilshalber besitzt sie auch eine Bremse, die mit Hilfe einer Kurbel betätigt wird. Mit ihr wird ein Bremsschuh aus Hartholz gegen ein Hinterrad gedrückt.
Ein gleichermaßen repräsentatives Ausstellungsstück ist der offene Jagdschlitten. Er beweist, dass früher die Winter kälter und schneereicher waren als heute. Schlitten waren die ersten Fahrzeuge des Menschen, noch vor der Erfindung des Wagens. Künstlerisch gestaltete Prunkschlitten waren vor allem in der Zeit des Barocks beliebt. Sie dienten der Repräsentation. Ähnliches kann man von dem prächtigen Jagdschlitten vermuten, der unser Museum bereichert.
Die Kutsche ist eine Schenkgebung der Familie Rischen aus Bremscheid an das Museum. Die nutzte einst das Kufenfahrzeug in schneereicher Winterzeit zur Fahrt in die Kirche oder für eine Jagdgesellschaft. Als Transportschlitten für Waren war er nicht geeignet. Eine Klappe im Mittelteil lässt sich öffnen und führt zu einem kleinen Stauraum, nur für die Utensilien der Reisenden. Zwei Schwengel, angebracht an der Frontseite des Schlittens, ermöglichen das Ziehen mit einem Gespann. Die außenseitig angebrachten Lampen lassen nur eine spärliche Beleuchtung zu und waren wohl eher als Signallampen gedacht. Man wollte schließlich in der Dunkelheit gesehen werden. Und da das Hufgetrappel vom hohen Schnee gedämpft wird, fand man ein klangvolles Mittel, auch rechtzeitig gehört zu werden: Kummet und Geschirr der Pferde wurden mit Schellen versehen. Ihr gleichmäßiges Schellen kündigte von weitem die Ankunft eines Schlittengespanns an. Heute verbindet man Romantisches damit in Gedanken mit einem Pferdeschlitten durch eine schneebedeckte Landschaft zu reisen. Musikalische Beweise sind die „Petersburger Schlittenfahrt“, ein beliebtes winterliches Orchesterwerk oder „Jingle bells“ als Weihnachtslied.
Wer war der Erbauer?
Der Erbauer des Jagdschlittens im Museum verrät sich durch dessen Gestaltung. Ins Auge fallen die geschwungenen Schwanenhälse. Diese Aufbiegung an der Front des Schlittens, als hölzerne Erweiterung der Kufen, sind typisch und verraten nicht nur das handwerkliche Geschick des Herstellers, auch seinen Namen. Diesem wird auch die Herstellung der Münsterländer Kutsche zugeschrieben. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass auch diese in dessen Werkstatt geplant und gefertigt wurde.
„Seine Ausrüstung bestand aus einer Hobelbank mit Säge, Beil und Hobel, sein Kapital war sein Können und seine Arbeitskraft“
So beschreiben es heute voller Hochachtung die Nachkommen, wenn sie über ihren Großvater und Urgroßvater, den Stellmachermeister August Ewers aus Oberhenneborn sprechen.
August Ewers, geboren am 16.10.1878, wurde schon im Alter von sechs Jahren Halbweise. Sein Vater, der versuchte seine Familie als Tagelöhner durchzubringen, starb jedoch viel zu früh. Der zehn Jahre jüngere Bruder des Vaters blieb Junggeselle und half der Witwe und den beiden Geschwistern August und Florentine ihr Elternhaus zu erhalten. August begann nach der Entlassung aus der Schule in Beisinghausen beim Stellmacher Gödecke eine Lehre. Danach verdingte er sich als Geselle beim Stellmacher Franz Franzes gnt. Hahne in Schüren um dann nach einiger Zeit als Handwerker auf Wanderschaft zu gehen. Im Jahre 1901 kam er, um einige Erfahrungen reicher, in sein Heimatdorf zurück. Da war er 23 Jahre alt, richtete im Ort mit bescheidensten Mitteln eine Werkstatt ein und machte sich selbstständig. Anfangs berechnete er seinen Kunden als Stundenlohn nur 18 Pfennig. August fertigte aus dem Werkstoff Holz viele Dinge, die für das tägliche Leben auf dem Land notwendig waren: Forken- Axt und Beilstiele, Sensenbäume, Harken, Kummetgeschirre, Fressgitter für die Kühe, Gartenzäune und Tore, Schiebkarren und Handwagen, die Holzteile für Eggen und Pflüge, Mistschlitten, Wagenräder und Riemenscheiben, Ackerwagen und kunstvolle Haustüren. Die Aufzählung wäre nicht vollständig ohne die Erwähnung, dass auch formschöne Kutschen und elegante Pferdeschlitten in seinem Auftragsbuch eingetragen sind. Diese aber wurden nach den Vorstellungen und Wünschen der Auftragsgeber von August Ewers als Einzelstücke geplant und gefertigt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die im Museum stehenden Exponate in ihrer Ausführung einmalig sind.
Im Jahre 1906 legte er seine Meisterprüfung ab, heiratete ein Jahr später die junge Schneiderin Theresia Wiesemann aus Oberhenneborn. Gemeinsam bewirtschafteten sie eine kleine Landwirtschaft und mit Näharbeiten erwirtschaftete die Hausfrau ein kleines Zubrot, denn aus der Stellmacherei wurde zu wenig Gewinn erlöst, um ein auskömmliches Einkommen der wachsenden Familie zu erwirtschaften. Die Ehe der beiden wurde mit elf Kindern gesegnet.
Drei Jungen, der Älteste Johann, das 5. Kind August jr. und der jüngste Sohn Franz, erlernten in der väterlichen Werkstatt den Beruf des Vaters und erweiterten ihre Kenntnisse später im Karosseriebau. So wurde die Grundlage gelegt für eine Entwicklung, die heute als erfolgreich gilt und beispielshaft ist in der heimischen Industriegeschichte. Die Firma Ewers mit dem heutigen Standort in Meschede hat heute im Karosserie- und Fahrzeugbau einen klingenden Namen und einen Kundenkreis, der weit über die Grenzen des Sauerlandes hinaus reicht.