Das heim vom Dorfschmied und seine Bewohner


Schmies Haus in Sallinghausen

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(C) Wilhelm Feldmann

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Heute, so wie seit langer Zeit, steht das kleine Haus unmittelbar an der Dorfstraße in Sallinghausen. Dort hat man im Laufe der Zeit viele Menschen kommen und gehen sehen. Sie wurden hier geboren oder fanden Unterkunft in schwieriger Zeit. Sie starben in seinen Mauern oder verließen diese, weil sie eine neue Heimstätte fanden. Da es ursprünglich das Haus des Dorfschmieds war, wird es noch heute „Schmies Haus“ genannt. Im folgenden Aufsatz wird die Geschichte seiner Erbauer und Bewohner erzählt. 

 

Der Begründer dieses Besitztums wird in den Büchern der Kirchengemeinde St. Peter und Paul zu Eslohe als „incola“ (01) bezeichnet. Das bedeutet, dass er ein Einsasse war, ein nicht eingebürgerter Dorfbewohner. Auch wurde er später als „accola“ (02) genannt. Er ist damit als Anwohner, Nachbar oder Beilieger in Sallinghausen betitelt, was auch darauf hindeutet, dass er in verwandtschaftlicher Natur zu einem Hof stand; in diesem Fall - so viel sei vorausgeschickt - zum Schultenhof in Sallinghausen.  

Er wurde geboren in „Jürgens Haus“

 

Die Eheleute Johann Theodor Schulte (geb. auf dem Schultenhof in Sallinghausen am 12.08.1721, dort gest. 23.03.1783) und Maria Margarethe Bockheim (geb. in Bockheim 25.04.1728, gest. in Sallinghausen 04.03.1784), fanden nach ihrer Vermählung am 07.11.1746 vorerst eine Bleibe in „Jürgens Haus“ auf dem benachbarten Hof des Georg Nurk. Nebenan auf dem Schultenhof im Haus der Eltern und Geschwister war wohl vorerst für ein Unterkommen der jungen Eheleute kein Platz. 

 

Das kleine Haus auf Nurks Hof war errichtet im Jahre 1730 und diente vormals als Altenteil für seinen Erbauer Jost Bockheim, der am 25.02.1727 eine zweite Ehe mit der Witwe Elisabeth Nurk, Mutter des Hofbesitzers, eingegangen war. Jost Bockheim starb aber bereits 1740, nur zehn Jahre später, sodass nun vorerst seine Nichte Maria Margarethe, geb. Bockheim, mit ihrem angetrauten Ehemann Theodor Schulte das leerstehende Haus für sich nutzen konnte. Hier erblickte dann auch ihr erstgeborener Sohn namens Johann Anton Schulte am 17.11.1748 das Licht der Welt. 

 

 

Nachdem 1751 auf dem Schultenhof ein neues, größeres Wohnhaus (später:  Adämmers Haus in Hengsbeck) errichtet war, zog die kleine Familie auf den Schultenhof. Dort kamen weitere Nachkommen, die Kinder Johann Anton Benedikt (geb. 25.03.1753, der spätere Hoferbe), Anna Maria Catharina (geb. 28.04.1757), Maria Margaretha (geb. 03.04.1760) und Johann Jakob (geb. 09.12.1767, gest. 18.05.1807, ledig) zur Welt. 


Auszug aus der preußischen Urkatasterkarte

von 1830 vom Ortsbereich Sallinghausen.

Beschreibung der eingezeichneten Gebäude: 

01: Schmies Haus

02: Standort der ersten Schmiede

03: "Jürgens Haus" auf Nurks Hof

04: Wohnhaus des Bauern Nurk

05: Wohnhaus des Müllers Sternberg

06: "Moths" Hof (Mathweis)

07: Die alte Dorfkapelle

08: Kurfürstliche Mahl- und Sägemühle

09: Hof des Gockel (Baust)

10: Der Schultenhof

11: Eiken Schultes Haus



Er hätte das Erbe vom Schultenhof antreten können

Der älteste Sohn Johann Anton Schulte wird noch am 23.01.1773 im Testament seines erkrankten Vaters, welches vom Esloher Pastor Enst unter Zeugen aufgesetzt ist, als Universalerbe des Schultenhofes bestimmt. Letzten Endes aber übernimmt später sein Bruder, der zweitgeborene Johann Anton Benedikt das Erbe. Was war geschehen?

 

Johann Anton hatte auf das ihm zugedachte Erbe zugunsten seines vier Jahre jüngeren Bruders Benedikt verzichtet. Was ihn dazu veranlasste, ist nicht verbrieft. Vermutlich war es sein Wunsch, das Handwerk eines Huf- und Dorfschmieds auszuüben. Zunächst betrieb er sein Handwerk auf dem Schultenhof in einer alten Scheune. Nun drängte es ihn wohl zur Selbstständigkeit, denn der Schmied gehörte damals zu den angesehensten und wichtigsten Personen in einem Dorf. Nahezu jeder benötigte hin und wieder seine Dienste. Durch seine Kundschaft war er immer allseits gut informiert. So war eine Schmiede oft ein guter Treffpunkt, um Neuigkeiten auszutauschen. Ein Dorfschmied verkörperte schon immer die ursprünglichste Form des Schmiedes.

Er verstand es, alles aus Metall herzustellen, wie Nägel, Scharniere, Werkzeuge, allerlei Gebrauchskram bis hin zu landwirtschaftlichem Gerät. Auch das Beschlagen von Pferden und anderen Zugtieren gehörte zu seinem Angebot. Er war in der Tat ein Mann, der in jedem Dorf gebraucht wurde. 

Für Anton Schulte wurde sein Lebensziel greifbar, nachdem ihm sein Bruder vom elterlichen Schultenhof eine Abfindung für „das Recht der Erstgeburt“ (03) gezahlt hatte.  

 

Anton Schulte schmiedet sein Leben

So sah „Schmies Haus“ vor dem Umbau 1910 aus: Der Hauseingang auf der nach Südwesten ausgerichteten Giebelseite, ein großes Deelentor und der Eingang zum Stall an der Straßenseite. Im Hintergrund erkennt man die bis zur Straße reichende Reihe hohe Fichte.
So sah „Schmies Haus“ vor dem Umbau 1910 aus: Der Hauseingang auf der nach Südwesten ausgerichteten Giebelseite, ein großes Deelentor und der Eingang zum Stall an der Straßenseite. Im Hintergrund erkennt man die bis zur Straße reichende Reihe hohe Fichte.

Von seiner Abfindung konnte er von der Kapellengemeinde ein kleines Grundstück als Hausgrund, angrenzend an den Standort der alten Dorfkapelle erwerben und ließ hierauf sein Wohnhaus erbauen. Im Jahre 1789 konnten die Bauarbeiten beendet werden (04). Für sein Haus waren einfachste Baustoffe verwendet worden, die der Standort bot. Die Grundmauern sind aus Grauwacke aufgesetzt; vorher aus den nahen Steinbrüchen mit harter Arbeit gebrochen.  Am Bauholz wurde gespart. Die Dachsparren sind aus Eichenholz- Abschnitten gesägt und aufgerichtet worden. Das Kernholz war nur den Waldbauern gerade recht zum Hausbau. Wie üblich, war das Holzfachwerk mit Gefachen aus Lehm erstellt, die Balken mit Teerfarbe geschwärzt und die Gefache weiß gekälkt. Mit Roggenstroh wurde das Dach eingedeckt. Der Bau eines Kellergewölbes war wegen hohem Grundwasserstand im Bachtal der Salwey nicht geboten. Nur eine Grube, die im Grund ausgehoben war, diente zur Lagerung von Feld- und Gartenfrüchten. 

 

Ursprünglich war in „Schmies Haus“ eine Tenne vorhanden, die von der Straßenseite her durch ein großes Deelentor begehbar war. Ein kleiner Stall fürs Rindvieh oder die Geiß schloss sich an und der Dachbalken barg Heu und Stroh zur Fütterung. Zu jener Zeit war es bei den Handwerkern die Regel, sich selbst und die Familie mit einer kleinen Landwirtschaft zu ernähren. Ein Stück Land, ob Eigentum oder als Pacht, beackerten die Handwerker jeder Zunft neben ihrer beruflichen Arbeit. Anton Schulte verließ sich auch in dieser Hinsicht nicht auf seine Verwandtschaft und so bekam er zur Abfindung noch vom Schultenhof eigene Grundstücke, die er bewirtschaften konnte. Auch kaufte er vom Bauer Knappstein aus Wenholthausen ein Land „am Käseberg“ in Größe von zwei Morgen und gab dafür eine Klanke Flachs (05), eine Kanne Schnaps und zwei Thaler. Später konnte er „am Kupferhammer“ in Niedereslohe noch eine Wiese von eineinhalb Morgen käuflich erwerben. 

 

Sein Schmiedehandwerk übte er aus einsichtigem Grund nicht in seinem Heim aus. Auch von der Kapellengemeinde hatte er einen schmalen Grundstücksstreifen, zwischen dem Mühlengraben und dem Salweybach gelegen, erworben. Hier, auf diesem idealen Standort, abseits der ausnahmslos mit Stroh gedeckten Häuser im Dorf, errichtete er seine Schmiede. Am Schmiedefeuer, der Esse (06), sprühen beim Schmieden die Funken vom glühenden Eisen. Wie schnell kann alles lichterloh in Flammen stehen. Gut, wenn einmal „der rote Hahn auf dem Dach stand“ (07) in Eile das Löschwasser am nahen Bach geschöpft werden konnte. 

 


Der Dorfschmied gründet eine Familie

 

Anton Schulte war Dorfschmied. Wir kennen nicht sein Aussehen, doch wir ahnen: Er war stark, gut gebaut und hinlänglich wohlhabend, weil nie arbeitslos. Er war deshalb gewiss ein begehrter Heiratskandidat, war eine „gute Partie“.  

 

 

Nun war sein Haus gebaut und eingerichtet. Doch Anton Schulte ging, mittlerweile vierzig Jahre alt, noch immer auf Freiersfüßen. Das sollte sich doch bald ändern. Mit Anna Maria Hammecke fand er letztlich eine junge Frau, die ihr Leben mit dem Dorfschmied teilen wollte. Die Braut, um 1765 in Kirchilpe (Kirchspiel Dorlar) geboren, war die Tochter der Eheleute Adam Hammecke und Maria Sybilla, geborene Schmitz. 

Gemeinsam wagten sie nun den Schritt vor den Traualtar und am 15.06.1790 schlossen sie in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Eslohe den Bund fürs Leben, getraut vom Pfarrer Jacobus Wilhelmus Bette. Trauzeugen waren der Glöckner (lat.: aedituus) Anton Stöwer und Max Stöwer. 

 

Aus ihrer Ehe gingen drei Töchter hervor: 

 

1. Maria Sybilla Schulte. Sie wurde geboren am 05.09.1791. Gerade 16 Jahre jung, starb sie am 23.03.1808 an Auszehrung. 

 

2. Anna Maria Gertrud Schulte wurde geboren am 19.04.1793. Sie heiratete am 21.12.1814 ihren Vetter Johann Anton Schulte, am 12.03.1786 geboren als ältester Sohn vom Schultenhof in Sallinghausen. Dieser fiel jedoch wegen seinem Verhältnis zu seiner Kusine bei den Eltern in Ungnade. Er verzichtete aus Liebe zur Tochter des Dorfschmieds auf das ihm zustehende Hoferbe. Sein Vater Anton Benedikt Schulte kam aber seinen Vaterpflichten nach und erwarb für seinen Sohn von Lammers in Kückelheim bei Eslohe einen Resthof und zahlte ferner noch als Abfindung die Summe von 550 Talern. Bei der Eheschließung trug der Pfarrer ins Copulationsbuch der Pfarrgemeinde Eslohe ein: „mit Dispens getraut“, also nach Befreiung vom Ehehindernis der Blutsverwandtschaft. Aus ihrer Ehe gingen zehn Kinder hervor. Gertrud starb am 29.09.1845 in Kückelheim an einer unbekannten Krankheit im Alter von 52 Jahren. Der verwitwete Ackersmann Johann Anton Schulte gnt. Lammert starb in Kückelheim am 23.05.1856 im Alter von 70 Jahren an Altersschwäche. 

 

3. Maria Christina Schulte war geboren am 23.10.1795 unter dramatischen Umständen, da ihre Mutter an den Folgen der schweren Geburt starb. Sie heiratete am 14.02.1824 den Caspar Anton Schulte (genannt Mittelschulte oder „Mirren“), der am 24.02.1802 in Obersalwey geboren war. Auch Christina starb am 28.12.1848 in Obersalwey an einer unbekannten Krankheit. Ihr Ehemann starb am 06.12.1860 an Brustwassersucht. Die Eheleute hinterließen vier Kinder. 

 

Von der schweren Geburt der dritten Tochter Christina erholte sich die Mutter Anna Maria Schulte nicht und verstarb einen Tag später. Es geschah am 24.10.1795. Die Eintragung im Sterbebuch durch den Pfarrer lautete: „mater in puerperio mortue“ (Mutter im Kindbett gestorben).

 


Er trug sein schweres Schicksal

Schmies Haus um 1960. Im Hintergrund Nurks Hofstelle (Feldmann)
Schmies Haus um 1960. Im Hintergrund Nurks Hofstelle (Feldmann)

Anton Schulte war nun 47jährig, verwitwet und stand mit seinen drei kleinen Kindern vor einer großen Aufgabe, die er allein nicht bewältigen konnte. So ging er bald eine neue Ehe mit einer jüngeren Partnerin, die am 23.04.1770 in Niedersalwey geborene Anna Elisabeth Hoffmann (Woile) ein. 

 

Am 17.11.1798 wurde eine Tochter geboren und auf den Namen Anna Maria Elisabeth Schulte getauft. Die Paten waren: Engelbert Hoffmann senior und Maria Elisabeth Wiethoff condicta Hömberg. Elisabeth wuchs gemeinsam mit ihren drei Stiefschwestern in „Schmies Haus“ auf. 

 

Sybilla, die älteste der Schwestern, verstarb unerwartet im Alter von 16 Jahren. Elisabeth, die jüngste der Mädchen im Hause, ging von allen als erste eine eheliche Verbindung ein. Sie war erst 15 Jahre jung, als sie am 21.06.1814 den aus Herhagen (Kirchspiel Reiste) stammenden Johann Ferdinand Adolf Pieper ehelichte (08). Dieser war dort geboren am 09.01.1781, war jetzt 33 Jahre alt und hatte das Schmiedehandwerk erlernt. Er stammte von einer alteingesessenen Familie in Herhagen ab. Bereits 1536 wurde ein Henneke Pyper im Schatzungsregister erwähnt. Johann Ferdinands Eltern waren Wilhelm Pieper und Maria, geborene Gierse. Sie ließen nun ihren zweitgeborenen Sohn vom Hofe abziehen. Im Copulationsbuch der Esloher Kirchengemeinde wurde Johann Ferdinand Pieper „Schmied und Kötter“ genannt.

 


Pieper: Ein neuer Familienname in „Schmies Haus“

 

Johann Ferdinand Pieper wurde in „Schmies Haus“ mit offenen Armen aufgenommen. Sein Schwiegervater, der Dorfschmied Anton Schulte, war 66 Jahre alt und von harter Arbeit gesundheitlich geschwächt. Ein junger Nachfolger war ihm nun gerade recht, der nicht nur sein Handwerk fortführen, auch seine Beschwernisse übernehmen sollte. Denn zwischen ihm als Kläger und dem Nachbarn Joseph Mathweis, als Vertreter der gemeinschaftlichen Schafhalter im Dorf, bestand schon ein über Jahre dauernder Rechtstreit, der ihm den Schlaf raubte. Anton Schulte beschuldigte seine Nachbarn, ihm drei Schafe und ein Lamm eigenmächtig von der Herde fortgenommen und verkauft zu haben. Ursächlich war, dass wohl nie richtig geklärt war, ob Anton Schulte offiziell der Gemeinheit beigetreten oder ob es nur zwanzig Jahre lang geduldet war, dass dieser seine Schafe unter der Obhut des Dorfschäfers weiden ließ.  

 

Anton Schulte hat diesen Streit nicht überlebt. Er starb am 29.04.1815 an Auszehrung und seine jüngste Tochter Elisabeth, nun verheiratete Pieper, wurde Eigentümerin von seinem Besitztum. Jetzt wurde ihr Gatte schon nach kurzer Zeit seines Eintreffens in Sallinghausen arg gefordert. Er musste die Rechte seines Vorgängers durchsetzen, sich aber gleichzeitig als „Buiterling“ gut mit der Nachbarschaft arrangieren. Hier galt schon immer eine Redensart, die bereits die alten Griechen kannten: „Man muss erst einen Scheffel Salz miteinander gegessen haben, um den anderen zu kennen.“ Deshalb strebte Johann Ferdinand Pieper Einigkeit mit der neuen Nachbarschaft an und drängte nach dem Tod des Schwiegervaters auf eine Entscheidung des Esloher Gerichts. Erst am 29.10.1818 erging von dort ein Beschluss zu Gunsten des Klägers. 

 

Das junge Ehepaar genoss in „Schmies Haus“ keine ungestörte Zweisamkeit. Die ältere Schwester Gertrud war mit ihrem Ehemann 1814 auf Lammers Hof in Kückelheim gezogen, aber noch war Stiefschwester Christina unverheiratet und half, so wie die verwitwete Mutter Elisabeth Schulte im Haushalt und in der Landwirtschaft. Unerwartet starb die Mutter am 14.01.1822 an Stickhusten, 51 Jahre alt. Dann im Februar 1824 zog Christina aus „Schmies Haus“ und heiratete auf den Mirren Hof in Obersalwey ein.  


Große Trauer und immer wieder Hoffnung

Foto um 1950: Schmies Haus neben der alten Dorfkapelle, davor die kleine Schmiede „Schmies Schmittchen“ genannt. Rechts die Mahl- und Sägemühle Sapp
Foto um 1950: Schmies Haus neben der alten Dorfkapelle, davor die kleine Schmiede „Schmies Schmittchen“ genannt. Rechts die Mahl- und Sägemühle Sapp

Doch still wurde es keineswegs im Haus des Dorfschmiedes, nachdem Johann Friedrich Pieper 1835 es baulich vergrößern ließ. Pünktlich, neun Monate nach der Hochzeitsfeier, gebar Elisabeth ihr erstes Kind; den Sohn namens Franz Joseph. Ein Jahr später folgte die Geburt ihres zweiten Sohnes, den sie auf den Namen Johann Joseph tauften. Hoffnungsfroh werden die jungen Eltern in die Zukunft geschaut und sich an ihren beiden Kindern erfreut haben. Ihr Glück währte jedoch nicht lang. In den folgenden Jahren wurden neun Kinder geboren, die sofort nach ihrer Geburt, als Kleinkind oder junge Erwachsene starben: 

 

1. Franz Joseph Pieper, der Erstgeborene, erblickte am 06.03.1815 das Licht der Welt. Er starb bereits am 04.09.1836 im jungen Alter von 21 Jahren an Auszehrung. 

 

2. Johann Joseph Pieper, der spätere Erbe von Schmies Besitztum, wurde geboren am 12.08.1816. Johann Joseph starb am 06.07.1896 an Altersschwäche. 

 

3. Maria Christina Pieper wurde am 22.11.1818 geboren und ist vermutlich gestorben. 

4. Maria Theresia Pieper wurde am 31.05.1821 geboren. Sie ist am 14.04.1832 beerdigt worden. Sie starb an Auszehrung und Husten im Alter von 10 Jahren. 

5. Maria Catharina Pieper, geboren am 04.01.1824, starb am 20.02.1845 im Alter von 21 Jahren an einer unbekannten Krankheit. 

6. Elisabeth Pieper wurde geboren am 20.05.1826. Sie starb als Kleinkind, 3 Jahre alt, am 28.01.1830 an Krämpfen. 

7. Maria Franziska Pieper, wurde am 18.07.1828 getauft. Vermutlich war auch sie gestorben. 

8. Franz Pieper wurde am 02.03.1831 getauft. Auch über diesen Jungen finden wir keine weiteren Angaben in den Kirchenbüchern, was auf einen frühen Tod schließen lässt. 

9. Elisabeth Pieper, geboren und getauft am 07.11.1833. Man gab ihr den Namen ihrer älteren, als Kind verstorbenen Schwester. Vermutlich ist auch sie nach ihrer Geburt gestorben. 

10. Ferdinand Pieper wurde am 01.08.1836 geboren und verstarb kurze Zeit später am 11.01.1837. Als Todesursache wurde Husten genannt. 

11. Theresia Pieper wurde am 26.01.1842 als letztes Kind der Eheleute geboren und getauft. Auch sie starb. 

 

Der Kummer der Eheleute muss unsäglich gewesen sein, erst recht als ihr Erstgeborener im jungen Alter von 21 Jahren starb. Auf ihn waren alle Hoffnungen gesetzt, einmal das Erbe zu übernehmen und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, was für ihn die Ausübung des Schmiedehandwerks bedeutete. Nun trat der jüngere Bruder Johann Joseph Pieper an seine Stelle. 


Eine neue Generation tritt an: Johann Joseph Pieper

 

Der Vater Johann Ferdinand Pieper starb am 08.01.1849, einen Tag vor seinem 68ten Geburtstag. Er war von Arbeit, Gram und Sorge geschwächt, als er seine Augen für immer schloss. Kurz zuvor hatte er noch eine „große Gemeinheit“ (09) erfahren müssen: Im Jahre 1846 wurden Grundstücke, von der Dorfgemeinschaft gemeinschaftlich genutzt, die sogen. Marken, nach gesetzlicher Anordnung aufgeteilt und den beteiligten Höfen zugeteilt. Im Zuge dieser Markenteilung wurden nur der Schultenhof, Mathweis, Gockel und Nurk berücksichtigt. Die Kötter Eiken-Schulte, Müllers und Schmies erhielten keinen Anteil vom Wald über der Eiken-Schulten Weide. 

Nun übernahm sein Sohn dessen Aufgaben und war seiner 50jährigen Mutter Elisabeth, die nun verwitwet und noch Eigentümerin des Besitzes war, Trost und Stütze. Bereits im folgenden Jahr, am 08.10.1850, ging der 34jährige die Ehe mit Anna Maria Christina Stiesberg aus Sieperting ein. Die Trauzeugen waren Johannes Baust aus Sallinghausen und Anton Henkel aus Niedersalwey. Die Braut war geboren am 11.12.1819 als Tochter des Ackersmanns Hermann Stiesberg (geb. 1785, gest. 11.07.1837 beim Sturz seines zusammenbrechenden Schafstalles) aus Sieperting und (Heirat am 29.01.1815) dessen, 1782 in Isingheim geborene Ehefrau Maria Catharina Knieffel (gest. 1840).  

 

Zu welcher Zeit das Eigentum an Schmies Besitztum auf Johann Joseph Pieper überging, ist unbekannt.  Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat die Mutter Maria Elisabeth Pieper, geb. Schulte, das Eigentum vorzeitig übertragen. Es wird nicht erst nach ihrem Ableben auf den Sohn gegangen sein. Sie starb nach einem harten und kummervollen Leben im Alter von 75 Jahren am 05.05.1868. Als Todesursache wird im Sterbebuch eine Infektion mit Pocken genannt. 

 

Aus der Ehe zwischen Johann Joseph Pieper und Anna Maria Christina, geb. Stiesberg, gingen sechs Kinder hervor: 

1. Johann Pieper wurde am 22.10.1851 geboren und erbte Schmies Besitztum. Er starb am 12.12.1936 in Niedersalwey im Hause seines jüngeren Bruders Franz. 

 

2. Maria Theresia Pieper ist geboren am 13.09.1853. Sie heiratete am 20.11.1881 den Tagelöhner Johann Blanke (geb. am 13.04.1855, gest. am 23.10.1899), Sohn des Schuhmachers Anton Blanke und dessen Ehefrau Theresia Hütter. aus Niedersalwey. Maria ist dort am 05.07.1921 gestorben. 

 

3. Elisabeth Pieper wurde am 28.03.1856 getauft. Sie heiratete am 22.06.1890 den Schuhmacher Wilhelm Vielhaber (geb. am 04.01.1855, gest. am 05.10.1933), Sohn des Bauern Anton Vielhaber aus Frielinghausen und dessen Frau Anna Catharina Sieberts, gebürtig aus Wallen. Elisabeth starb in Frielinghausen am 23.04.1929.  

Christina Bürger, geb. Pieper
Christina Bürger, geb. Pieper

4. Christina Pieper war geboren am 05.08.1858. Sie heiratete am 23.07.1885 den Witwer Franz Bürger, Damastweber und Ackersmann in Bremscheid (dort geb. am 15.09.1851). Dieser war Sohn des Leinewebers Caspar Bürger und Maria Aloysia Peitz. Christina verstarb in Bremscheid am 27.02.1911 nach ihrem dritten Schlaganfall, einem Gehirnschlag. Aus ihrer Ehe waren neun Kinder hervorgegangen. Anna Feldmann, geb. Bürger, berichtete von Gesprächen, die sie mit ihrem Großonkel Franz Pieper (jüngster Bruder ihrer Großmutter Christina) führte: „… ich hörte ihm gern zu, wenn er von seiner Schwester Christine, unserer Großmutter, erzählte, die niemand aus unserer Generation kennenlernen konnte, weil sie so früh (27.02.1911) gestorben ist. Er sagte, sie sei ein lebensfrohes und ansehnliches Mädchen gewesen, blauäugig, mit welligem blondem Haar, das es „faustdick hinter den Ohren gehabt“ hätte, immer bereit zu Scherz und Neckerei. Später – als Geburten und Fehlgeburten sie körperlich geschwächt gehabt hätten – habe sie viel von ihrer Lebendigkeit verloren …

 

5. Louise Theresia Pieper, die vierte Tochter, wurde am 15.12.1861 geboren. Sie heiratete am 28.05.1896 den Witwer Josef Löher, Marketender zu Wenholthausen, und wurde damit Stiefmutter von fünf Halbwaisen (Maria, 8 Jahre alt, Elisabeth, 7 Jahre alt, Franz, 5 Jahre alt, Josef, 3 Jahre alt, starb am 30.06.1898 durch Verbrennungen, und Albert, 1 Jahr alt). Maria Löher, die älteste, ging später als Magd beim Bauern Wilhelm Feldmann in Sallinghausen in Diensten. Sie heiratete ihren Brotherrn am 25.11.1912 und wurde so direkte Nachbarin von Piepers. (siehe: Meine Großmutter). Aus der Ehe zwischen Louise und Josef Löher gingen noch vier weitere, leibliche Kinder hervor: Luise (Tante Wieschen), geb. 19.05.1897, Theresia, geb. 26.05.1899, Arnold, geb. 04.03.1901, Anton, geb. 26.03.1903, starb als Kind. 

Franz Pieper in Niedersalwey
Franz Pieper in Niedersalwey

6. Franz Pieper. Das jüngste Kind wurde am 27.05.1863 geboren. Dieser heiratete am 10.10.1893 die Anna Maria Müller, „Linneweiäwers“ genannt, da ihr Vater Johannes Müller und dessen Ehefrau Theresia, geb. Stracke“ den Beruf des Leinewebers ausübten. Die Tochter Anna war geboren am 19.07.1871 und wurde Erbin in Niedersalwey. Aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor: (Anna, verh. Bornemann in Wenholths., Franz, starb 20jährig, Elisabeth, Theresia, verh. Limberg in Bremke, Maria, starb zehn Tage alt, Christine, geb. 1904, gest. 1981, verh. Rischen in Obersalwey, Josef, übernahm Haus und die kleine Landwirtschaft, verheiratet und hat Nachkommen, Johannes, war verheiratet). Franz Pieper übte das Handwerk des Schuhmachers aus. In der Zeit von 1883 bis 1886 war er mit Eberhard Heymer aus Sallinghausen in Kassel zum Militärdienst. Im Jahre 1891 – sein älterer Bruder Johann war ihm darin ein Vorbild – wurde er in Eslohe Schützenkönig. Er starb am 24.06.1951 in Niedersalwey. „Sein Leben erfüllte sich in Arbeit, Gebet und Sorge für die Seinen“, ist auf seinem Totenzettel zu lesen. Seine Ehefrau Anna ging ihm viele Jahre im Tode voraus. Sie starb 52jährig am 29.01.1924. Anna Feldmann, geb. Bürger, berichtete: „Den jüngsten Bruder Franz Pieper unserer Großmutter Christine, geb. Pieper lernte ich kennen, als ich von Ende 1946 bis Ostern 1949 als Lehrerin an der Volksschule in Niedersalwey tätig war und ihn und seine Familie oft besucht habe. Dieser Großonkel hatte noch in hohem Alter von über 80 Jahren ein verhältnismäßig faltenloses, feingeschnittenes, ebenmäßiges Gesicht und zeigte die hohe Stirn mit den sogen. Geheimratsecken, die auch unser Vater geerbt hatte. Ich lernte ihn seiner gutmütigen, humorvollen und feinen Art wegen schätzen und hörte ihm gern zu…


Die alte Dorfschmiede wurde aufgegeben

 

Johann Joseph Pieper betrieb die Dorfschmiede nun in der dritten Generation am ersten Standort zwischen dem Salweybach und dem Mühlengraben. Die Schmiede muss auf einer aufgeschütteten Anhöhe gestanden haben, um auch dem Hochwasser trotzen zu können. Der Weg durchs Dorf führte an der Schmiede vorbei und die Überquerung des Baches geschah über eine einfache Fußbrücke. Bei Niedrigwasser konnten Fuhrleute durch eine Furt passieren. Das aber änderte sich 1862, als durch ein Hochwasser die Fußbrücke einstürzte. (siehe: Der Schulweg durchs Hühnernest

Die Sallinghauser glaubten, dass die Gemeinde Eslohe nun verpflichtet sei, eine neue Brücke zu bauen, nachdem die Einwohner schon einige Jahre Beiträge zum Bau neuer Kommunalwege leisten mussten. Erst durch Bescheid der Königlichen Regierung in Arnsberg wurde die Gemeinde in die Pflicht genommen, den Bau einer neuen Brücke in Auftrag zu geben. Das geschah nach vielseitigem Zögern im Mai 1866, wurde aber durch die Esloher Gemeindevertretung wegen der unsicheren Zeitverhältnisse nochmals aufgeschoben, denn am 15.06.1855 brach der Krieg zwischen Preußen und dem Deutschen Bund unter Führung Österreichs aus. Der Krieg endete für Preußen glorreich. Noch im selben Jahr entstand ein neuer Verding (Ausschreibung), wobei der Maurermeister Pöttgen aus Meschede für 1089 Reichstaler den Zuschlag erhielt. Die Bauarbeiten für eine neue, jetzt steinerne Brücke über den Salweybach konnten beginnen. Bereits ein Jahr später im Jahre 1867, war die neue Brücke befahrbar. 

 

Doch Piepers Dorfschmiede musste vorher weichen, wurde abgerissen, da ihr Standort für den Brückenneubau nötig war. Doch Piepers bauten ersatzweise nur eine kleinere Schmiede wieder auf, die im Dorf als „Schmies Schmiedchen“ genannt wurde. Sie wurde am Ufer des Mühlengrabens, unmittelbar in der Kurve der Dorfstraße platziert und darin eine Esse, das Schmiedefeuer, eingerichtet. Piepers nahmen noch kleine Aufträge an und führten Schmiedearbeiten aus, meistens für die Nachbarn im Dorf. 

 

Sie passten sich den Veränderungen der Zeit an

Die Werkzeugfabrik Gabriel am Esloher Kupferhammer um 1900
Die Werkzeugfabrik Gabriel am Esloher Kupferhammer um 1900

In dieser Zeit entwickelte sich im Land die Industrialisierung. In Fabriken wurden Eisenwaren in großen Stückzahlen produziert. Dagegen konnte eine kleine Dorfschmiede nicht konkurrieren. Im Jahre 1870 eröffnete der Gewerke Gabriel aus Eslohe am Niederesloher Kupferhammer eine neue Fabrik, in der Werkzeuge für Landwirtschaft und Handwerk geschmiedet wurden. 

 

Johann Joseph Pieper hatte zu dieser Zeit bereits sein fünfzigstes Lebensjahr überschritten und wird sich mehr recht als schlecht mit der Ausübung seines Handwerks „über Wasser“ gehalten haben. Seine kleine Landwirtschaft betrieb er mit Herzblut und sein Haus hielt er „in Schuss“. In seiner Tenne hatte er eine damals als neuzeitlich bezeichnete Stiften-Dreschmaschine eingebaut. Mit Hilfe eines Göpels, der mit der Kraft von ein oder zwei Kühen in Bewegung gesetzt wurde, konnte die Dreschmaschine betrieben werden. Damit war er in der Lage, ohne Abhängigkeit von den Bauern des Dorfes, seine Getreideernte selbst zu dreschen. Die Spanndienste wurden von drei Kühen abwechselnd verrichtet (10). 

 

Sein Sohn Johann Pieper führte die Tradition seiner Vorfahren fort, Metall zu bearbeiten. Er ließ sich zum Schlosser ausbilden und war einer der ersten, der in diesem Beruf Arbeit in der Werkzeugfabrik Gabriel am Kupferhammer fand.  

 


„Schmies Onkel“

Johann Pieper während seiner Ableistung des Wehrdienstes, Foto um 1870
Johann Pieper während seiner Ableistung des Wehrdienstes, Foto um 1870

In Sallinghausen wurde Johann Pieper nur „Schmies Onkel“ genannt. Er und sein zwölf Jahre jüngerer Bruder Franz waren im Dorf sehr beliebt, da sie gesellig und lebenslustig waren. (11) Das zeigt sich auch mit einem Blick auf die Liste der ehemaligen Majestäten der Esloher Schützenbruderschaft St. Peter und Paul, die im Jahre 1818 gegründet wurde. Johann Pieper war um 1870 zum Wehrdienst eingezogen worden. Dort wird er den sicheren Umgang mit einer Feuerwaffe gelernt haben. Zielsicher schoss er den Holzvogel in Eslohe gar zweimal von der Stange. So erhielt er die Königswürde erstmals, noch auf Freiersfüßen, im Jahre 1878. 1884 machte er jedoch seine Ehefrau zur Königin, die er nur wenige Monate zuvor, am 22.11.1883, in der Pfarrkirche in Eslohe zum Altar geführt hatte. Die Trauung hatte Kaplan Bette vollzogen (12). Trauzeugen waren Johann Blanke aus Niedersalwey und Maria Anna Peitz aus Eslohe. 

Die junge Braut, Maria Elisabeth Hütter, die alle nur „Bettken“ nannten, war am 07.06.1861 als Tochter des Schusters Franz Hütter und Bernhardine, geb. Biskoping aus Niedersalwey geboren. 

Ihr und Johann Pieper blieb es jedoch in ihrer Ehezeit versagt, dass ihnen Nachkommen geboren, dass sie Eltern wurden. 

 

Für alle ist Platz in „Schmies Haus“

 

Das junge Paar wohnte mit Johanns Eltern zusammen im Haus und diese erfreuten sich eines langen Lebens. Am 06.07.1896 starb der Vater Johann Joseph Pieper im Alter von 79 Jahren. Die Mutter, Anna Maria Christina Pieper, geb. Stiesberg, folgte ihm im Tode nach. Sie starb 82jährig am 28.01.1902. Bei beiden wurde Altersschwäche die Todesursache genannt.  

 

Eine Zeit lang fand in Schmies Haus Elisabeths älterer und einziger Bruder, der verwitwete Franz Hütter (geb. in Niedersalwey am 11.04.1858) eine Unterkunft. Zusammen mit seiner Ehefrau Maria Elisabeth Bürger aus Bremscheid (dort geboren am 29.02.1864 als Tochter des Leineweber Caspar Bürger und Louise Peitz und Schwester des Franz Bürger, der Christine Pieper aus „Schmies Haus“ ehelichte) hatte dieser in Hellefeld gelebt. Das Paar hatte am 15.06.1884 in Eslohe geheiratet, getraut durch Kaplan Köper. Als Trauzeugen waren dabei, der Peter Biskoping, Dachdecker aus Niedersalwey und Maria Böhmer aus Bremscheid. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, die alle in Hellefeld geboren wurden. Die Mutter Maria Hütter, geb. Bürger, starb jedoch 1895 an einer Lungenentzündung im Alter von nur 31 Jahren. 

 


Ihre Hoffnungen wurden enttäuscht

Das jüngste ihrer Kinder, ein Mädchen namens Gertrud Hütter, „Trautchen“ genannt, wuchs in der Familie der Piepers in Sallinghausen auf und wurde von diesen so geliebt, als sei es deren eigenes leibliches Kind. Johann und Elisabeth Pieper hofften deshalb, dass ihr Pflegekind einmal ihren Besitz übernehmen werde. Deshalb trug sich Johann Pieper mit Gedanken, sein Haus umzubauen und beauftragte im Frühjahr 1910 den Baumeister Franz Hennecke aus Niedersalwey zur Planung seiner Bauabsichten (13). Daraufhin wurde die polizeiliche Erlaubnis erteilt, auf dem Grundstück Flur 4 Nr. 135/136 der Steuergemeinde Eslohe das Wohnhaus umzubauen und einen Schweinestall anzubauen, was dann auch von Johann Pieper umgesetzt wurde. 

Die Hoffnung der Eheleute aber wurde enttäuscht. Als „Trautchen“ den Peter Baumhoff aus Welschen Ennest bei Kirchhundem kennen und lieben lernte und ihn dann im Jahre 1919 heiratete, zog diese zu ihrem Ehemann und verzichtete auf das ihr zugedachte Erbe. 

 

Als am 22.06.1922 Elisabeth Pieper in Sallinghausen an einer heimtückischen Krebserkrankung starb, entschloss sich der Witwer zum Verkauf seines Besitzes und zog nach Welschen Ennest zur Stieftochter. Das Haus vermietete er an die Familie (keine Verwandtschaft) Johannes Pieper und Theresia, geb. Beckmann, aus Isingheim, mit den beiden Kindern Johannes (geb. 1919) und Anton. Im Jahre 1924 verkaufte Johann Pieper sein Haus und die kleine Schmiede an Fritz Schulte aus Wenholthausen für 4.500 Reichsmark. Seine Grundstücke erwarben Donner in der Habbecke, Hochstein in Wenholthausen und Eberhard Heymer gnt. Schulte in Sallinghausen. Auch der Nachbar auf Nurks Hof, der Bauer Wilhelm Feldmann, schloss mit ihm 1926 einen Kaufvertrag über 1,30.43 Hektar Ackerland und 0,21.06 Hektar Weide zu einem Kaufpreis von 3.000 Reichsmark (14).  

Im Jahre 1927 zogen die Mieter, die Familie Johannes Pieper aus Schmies Haus und übersiedelte zurück nach Isingheim, wo sie ein kleines Haus erworben hatte (15)

Bildbeschreibung:  Im Juni 1923 war Johann Pieper Gast bei der Hochzeit des Franz Mathweis und Maria Heymer in Sallinghausen (dahinterstehend die Eheleute Wilhelm und Maria Feldmann, vorne links: Kinderarzt Dr. Schulte aus Münster, daneben: Frau Klöpper aus Frielinghausen)

 


Johann Piepers Rückkehr

Johann Pieper als Jubelkönig in Eslohe im Jahre 1929
Johann Pieper als Jubelkönig in Eslohe im Jahre 1929

Am Peter- und Paulstage 1929 nahm Johann Pieper als Jubelkönig am Schützenzug in Eslohe teil. Fünfzig Jahre zuvor hatte er erstmals den hölzernen Vogel aus dem Kugelfang geschossen. Seine Freude war groß, dass er der Tradition entsprechend eingeladen wurde, um das Schützenfest als Jubiläums-Schützenkönig in Eslohe mitzufeiern. Anna Feldmann, geb. Bürger, erinnert sich in ihren Aufzeichnungen daran, dass sie den Jubilar damals begrüßen konnte. Er sei im Festzuge in einem Gig (zweirädriger Einspänner) mitgefahren und machte auf sie den Eindruck eines „feinen Opas“. Sie erinnerte sich auch, wie freundlich, herzlich und zuvorkommend ihr Vater Franz Bürger bei dieser Begegnung mit dem Bruder seiner längst verstorbenen Mutter umging.  

 

Johann Pieper hatte sich in Welschen Ennest im Haushalt seiner Stieftochter nicht heimisch gefühlt. Deshalb kam er zurück in seine Heimat und verbrachte er seine letzten sechs Lebensjahre in der Familie seines Bruders Franz in Niedersalwey. Dort starb er am 12.12.1936 im hohen Alter von 85 Jahren. Auf ausdrücklichem Wunsch des Verstorbenen wurde seine Stieftochter nicht über sein Ableben benachrichtigt. Seine alten Nachbarn aus Sallinghausen erschienen fast vollständig bei seiner Beerdigung und erwiesen ihm die letzte Ehre. 

 

Wieder ein Besitzer namens Schulte

 

Der Käufer Fritz Schulte war kein Unbekannter in Sallinghausen, da er unweit als Pflegekind im Haushalt seines Onkels Ignaz Schulte, der am Wenneufer in „Andreas Haus“ wohnte, aufgewachsen war.  

Fritz Großvater war Andreas Schulte der vom Schultenhof in Oberberndorf (Eltern sind vermutlich: Franz Schulte und Theresia, geb. Voß) stammte. Der hatte im Jahre 1868 das Haus an der Wenne von zwei alleinstehenden Damen, namens Eickhoff, gekauft. Diese mussten aus Altergründen den Wohnsitz aufgeben, wo sie eine Kaffeewirtschaft für Straßenfuhrleute betrieben hatten.

 

In Andreas Haus an der Wenne wuchs Fritz Schulte mit Vettern und Kusinen auf
In Andreas Haus an der Wenne wuchs Fritz Schulte mit Vettern und Kusinen auf

Andreas Schulte war Schäfer von Beruf und hütete die Schafe auf dem Hof Grewe, genannt Wichers, in Schüren. Wohl bei einem „Schäferstündchen“ lernte er die in Schüren geborene Caroline Potthöfer kennen. Wie es vorkommen kann, wurde Caroline bald schwanger. So gaben sich die beiden im Wonnemonat Mai des Jahres 1847 in der alten Pfarrkirche St. Severinus in Calle (neue Pfarrkirche erbaut: 1853-1858) ihr Ja-Wort. Zwei Monate später, am 22. Juli 1847, wurde der Sohn Ignaz geboren. Es folgten die jüngeren Geschwister, darunter der Vater von Fritz Schulte, namens Josef. Nach dem Erwerb des Hauses am Wenneufer nahm der Großvater die Schäferstelle auf dem Hof Kleffmann in der „Meßmecke“ (ehemaliger Pachthof, zwischen Gut Wenne und Büemke gelegen) an. 

 

Der Vater Josef Schulte war Tagelöhner bei den Wenholthauser Bauern und heiratete 1886 die Gertrud Steinberg aus Velmede. Am 22.02.1893 wurde ihr Sohn Fritz geboren. Doch ein harter Schicksalsschlag ereilte die junge Familie im folgenden Mai. Die Eheleute erkrankten an der heimtückischen Krankheit Typhus und starben innerhalb von zwei Tagen. 

 


Kindheit und Jugend des Fritz Schulte in Andreas Haus

 

Sohn Fritz, ein Säugling im Alter von drei Monaten, war nun Vollwaise. Sein Onkel Ignaz Schulte entzog sich nicht seiner Verantwortung und nahm das kleine Kind zu sich, sorgte für dieses wie für seine eigenen. So wuchs Fritz Schulte zwischen seinen Vettern und Kusinen in Andreas Haus am Ufer der Wenne auf. Aus seiner Verbundenheit und tiefen Dankbarkeit zu seinen Zieheltern hat er nie ein Geheimnis gemacht. 

 

In Wenholthausen besuchte Fritz Schulte acht Jahre lang (von April 1899 bis April 1907) die Volksschule. Nun war er 14 Jahre alt und erarbeitete sich als Landhelfer (Tagelöhner) auf dem Schultenhof und dem Bauern Baust (Gockeln) in Sallinghausen sein verdientes Brot. Im Jahre 1911 ergab sich eine besser bezahlte Tätigkeit. Er wurde als Arbeiter beim Bahnbau auf der Strecke von Wenholthausen nach Fredeburg eingestellt und arbeitete am Streckenabschnitt links vom späteren Haltepunkt Wenne, wo an dem „Andreasfelsen“ (benannt nach seinem Großvater Andreas Schulte) drei Arbeiter tödlich verunglückten. 

Nach Fertigstellung der Bahnstrecke, die fast zeitnah mit der Eröffnung der Strecke Finnentrop nach Wennemen zusammenfiel, konnte Fritz Schulte im Dezember 1914, wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs, als Bahnarbeiter in der Bahnmeisterei Wenholthausen eine neue Anstellung finden. 

Wegen drei steifen Fingern war er nicht wehrfähig, wurde aber im Dezember 1916 militärärztlich untersucht und für dauernd arbeitsverwendungsfähig befunden. So wurde Fritz Schulte im Februar 1917 zum Feldeisenbahndienst nach Belgien versetzt, wo er bis Kriegsende verblieb. Im November 1918, wieder zurück in seiner Heimat, nahm er der nun 25jährige Fritz seine alte Tätigkeit in der Wenholthauser Bahnmeisterei wieder auf. 

 

 

Heirat, Hauskauf, Beruf und neue Nachbarschaft

 

Am 30.11.1922 führte Fritz Schulte in der Pfarrkirche St. Cäcilia zu Wenholthausen seine zukünftige Ehefrau zum Traualtar. Es war Franziska Schulte gnt. Beckers, die am 12.04.1894 in Wenholthausen geboren war. Die Jungvermählten zogen vorerst als Mieter in „Schmies Haus“ in Sallinghausen ein. 1924 bot Johann Pieper dem Fritz Schulte sein Haus zum Kauf an. Er selbst war nach dem Tode seiner Ehefrau zur Pflegetochter nach Welschen Ennest gezogen.

 

So kurz nach der Währungsreform im November 1923, die zum Stillstand der „Hyperinflation“ führte, hatte sich der Geldmarkt beruhigt und es bestand gute Hoffnung für den Verkäufer, dass der vereinbarte Kaufpreis nun seinen Wert behielt. Doch dem Fritz Schulte hatte die Inflation sämtliche Ersparnisse entwertet. Nun war er gezwungen, die gesamte Kaufsumme von 4.500 Reichsmark bei der Spadaka Eslohe zu beleihen. 

 

Fritz Schulte und seine Frau Franziska: Beide waren im Dorf beliebt und jeder begrüßte es, als bekannt wurde, dass sie Schmies Haus gekauft hatten. Als das Eigentum im Grundbuch des Katasteramtes in Meschede umgeschrieben war, gaben die neuen Besitzer „am übernächsten Sonntag den sogen. „Nowerkaffee“ und waren damit in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Sie waren nun keine Buiterlinge oder Zukümmlinge mehr!“ So weiß es Heinrich Heymer aus seinen Erinnerungen zu berichten. 

 

Als die Familie Pieper, die in dieser Zeit noch als Mieter in Schmies Haus wohnten (zuvor geschildert), im Jahre 1927 nach Isingheim zogen, machte sich Fritz Schulte an den Umbau des Hauses. Da er keinen Landbau betrieb, so wie es Johann Pieper noch gepflegt hatte, entfernte er die Deele. Das gab Platz für weitere Wohnräume.

Sämtliche Zwischenwände ersetzte er durch Schwemmsteine mit Verputz. Alle Zimmer wurden renoviert und ein neuer Hühnerstall entstand. Die Jauchegrube wurde erneuert und eine neue Miststelle gemauert. Später nahm das Ehepaar Schulte aufgrund der vergrößerten Wohnfläche Mieter in ihr Haus. Namen, wie Rosenbeck, Caspar Voß sowie Theo und Anneliese Nolte (1958 bis 1964) sind bekannt. 

 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahm die selbst sieben Köpfe zählende Familie des Fritz Schulte Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten auf. Aus Seidendorf (Sachsen) fand die Wwe. Gertrud Ebermann mit drei Kindern und für kurze Zeit eine Familie Konjevic Zuflucht in Schmies Haus. 

 

Fritz Schulte im jugendlichen Alter (Foto um 1910)
Fritz Schulte im jugendlichen Alter (Foto um 1910)
Fritz Schulte (links) in Belgien zum Einsatz im Feldeisenbahndienst vom 21.02.1917 bis 30.11.1918
Fritz Schulte (links) in Belgien zum Einsatz im Feldeisenbahndienst vom 21.02.1917 bis 30.11.1918

Fritz Schulte mit seinen ältesten Kindern Josef (li) und Franz bei einer Familienfeier im Juli 1927
Fritz Schulte mit seinen ältesten Kindern Josef (li) und Franz bei einer Familienfeier im Juli 1927

Aus der Ehe zwischen Fritz und Franziska Schulte gingen fünf Kinder (16) hervor: 

 

1. Josef Schulte, geb. am 26.04.1924, gest. am 30.10.1996, verh. mit Elisabeth Baier (geb. am 07.02.1932 Oberhundem, gest. am 26.10.2007 Wenholths.). Die Eheleute errichteten in Wenholthausen, Unter den Dornen und Hünnecke Wohnhäuser, die ihre zwei Töchter erbten: Helga, verh. Schneider, und Carina, verh. Müller

 

2. Franz Andreas Schulte, geb. am 13.09.1925, gest. am 16.06.2004, verh. 06.04.1953 mit Eugenie Nolte, errichtete in Sallinghausen Nr. 10 ein neues Wohnhaus, ein Adoptivsohn: Thomas Schulte

 

3. Friedrich Wilhelm (Friedhelm) Schulte, geb. am 17.09.1929, gest. 05.01.2010, Erbe von Schmies Haus, heiratete 13.09.1955 Elisabeth Josefina (Else) Sapp (geb. in Bremke 17.03.1926, gest. in Sallinghausen 23.12.1977 an einer Krebserkrankung, deren Eltern: Norbert Sapp, Bremke und Josefina Heimes), drei Kinder: 

- Rolf Johannes, geb. 24.06.1956, verh. in Cobbenrode mit Marlies Büngener, zwei Kinder (Marion und Carsten), 

- Helmut Franz, geb. 02.06.1958, verh. mit Gisela Schulte, Bremscheid. Die Eheleute erbten Schmies Haus je zur Hälfte 1983, vier Kinder: Petra, Frank, Jan = seit 2021 Eigentümer von Schmies Haus, und Anna, die Jüngste. 

- Elisabeth Maria (Lissy), geb. am 28.06.1962, ledig, wohnt in Eslohe

 

4. Karl-Heinz Schulte, geb. am 08.08.1933,  gest. in Bad Westernkotten 29.05.2008, verh. 13.01.1958 mit Marianne Sondermann, geb. 15.04.1937 in Eslohe, 2 Kinder

 

5. Maria Luise (Marlies) Schulte, geb. am 14.01.1937, gest. in Hüsten 22.01.2000, verh. 18.10.1961 Josef Johannes Osebold, geb. 11.12.1935 in Wenholthausen, 3 Kinder 


Dorfleben am Küchenfenster

 

 

Fritz Schulte 1928 aus dem Personalienbogen für Arbeiter der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft
Fritz Schulte 1928 aus dem Personalienbogen für Arbeiter der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft

Die Familie hatte großes Glück, dass im Zweiten Weltkrieg keine Angehörigen ihr Leben ließen oder verwundet wurden. 1944 schrieb Fritz Schulte, nun 50 Jahre alt, in seinem Lebenslauf, dass er insgesamt nur einmal krank gewesen sei. Da konnte er im Januar 1944 wegen einer Fußquetschung 43 Tage seinen Dienst nicht ausüben. Fritz wurde als ein rechtschaffener und fleißiger Mann geschätzt. Nach Feierabend an der Bahn betrieb er seine kleine Landwirtschaft. Eine Ziege wurde zum Grasen an den Wegrändern angepflockt und Heymer überließ ihm gegen Arbeitslohn etwas Weidefläche, genug Futter für eine Milchkuh. Zur eigenen Versorgung baute das Ehepaar Gemüse und Feldfrüchte an. Fritz Schulte half den Bauern bei der Ernte oder Waldarbeit. 

 

Die Eheleute waren Menschen, die es liebten, wenn Leben im Haus war und sie Teil einer geselligen Runde waren, umringt von jungen Leuten. Denn für diese war Schmies Haus geschätzter Treffpunkt. Direkt an der Dorfstraße gelegen, stand bei Schmies das Küchenfenster ständig auf. Das lud förmlich dazu ein, mal eben hineinzuschauen und fragen, ob es neue Nachrichten im Dorf gibt. Ein Pläuschen unter Nachbarn war stets willkommen und Unterhaltung sehr geschätzt.    

 

Gesundheitliche Probleme beeinträchtigten Fritz Schulte 1949 und hielten ihn wegen einer Venenentzündung 58 Tage von seiner Arbeit ab. Er litt zudem an chronischem Rheuma, der ihm Schmerzen verursachte und seinen Dienst erschwerte. 1951 wurde bei ihm zudem Herzmuskelschwund festgestellt. Das war Grund genug, ab 15.08.1951 als Invalide das Dienstverhältnis bei der Bahn einzustellen. 

Lustiges Treiben vor Schmies Küchenfenster, hier beim „Körbebringen“ zur Hochzeit von Otto und Gisela Feldmann im Mai 1953
Lustiges Treiben vor Schmies Küchenfenster, hier beim „Körbebringen“ zur Hochzeit von Otto und Gisela Feldmann im Mai 1953

Fritz Schulte konnte nur noch wenige Jahre seinen Ruhestand genießen. Er starb am 27.06.1956 im Alter von 63 Jahren. Franziska, seine Ehefrau, folgte ihrem Mann im Tode am 11.02.1958, ebenfalls 63jährig. 


Schmies Besitztum „geht“ in die nächste Generation

Hochzeit am 13.09.1955 der Eheleute Friedhelm und Else Schulte, geb. Sapp. Sitzend v.l.n.r.: Fritz Schulte, Franziska Schulte, Josefina Sapp, Pfarrer Karl Stolte, stehend: die Geschwister des Paares beider Seiten mit ihren Partnern.
Hochzeit am 13.09.1955 der Eheleute Friedhelm und Else Schulte, geb. Sapp. Sitzend v.l.n.r.: Fritz Schulte, Franziska Schulte, Josefina Sapp, Pfarrer Karl Stolte, stehend: die Geschwister des Paares beider Seiten mit ihren Partnern.

Die beiden ältesten Söhne hatten für sich und ihre Ehepartner bereits ein eigenes Haus errichtet; Josef in Wenholthausen, Unter den Dornen, und Franz in der Nachbarschaft zum Elternhaus in Sallinghausen Nr. 10. So übernahm der drittälteste Sohn Friedhelm das väterliche Erbe. Wie sein Vater war auch er Zeit seines Lebens als Bediensteter bei der Bahn. Bis zur endgültigen Schließung der Bahnstrecke Finnentrop – Wennemen versah er seinen Dienst zeitweilig als Bahnhofsvorsteher in Fehrenbracht, später am Bahnhof in Eslohe. Bis zu seiner Pensionierung im März 1990 war Friedhelm Schulte am Bahnhof in Bestwig tätig. 

 

Friedhelm heiratete am 13.09.1955 die Elisabeth Sapp aus Bremke, die von allen nur „Else“ genannt wurde. Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor; die Söhne Rolf und Helmut. 1962 wurde „Lissy“, das Nesthäkchen, geboren. 

 

Wie es sein Vater tat, half Friedhelm Schulte in seiner Freizeit, insbesondere auf dem Hof Feldmann, in der Erntezeit. Diese Arbeit, mit der er sich ein Zubrot verdiente, war ihm keine Last. Auch er schätzte die gemeinsame Arbeit beim Heu- und Getreideladen in der Nachbarschaft. Da war es gute Sitte, nach getaner Arbeit bei einem Fläschchen Bier in geselliger Runde den Tag ausklingen zu lassen. 

 


Schmies Schmiedchen

 

Friedhelm Schulte ließ 1963 sein Schmiedchen abreißen. Es diente nur noch als Holzschuppen und Abstellraum für allerlei Gerätschaften. Es war im Kurvenbereich der Dorfstraße zu einer Gefahrenquelle geworden. Nun schaffte es Platz für eine Straßenerweiterung und einem größeren Milchbock. Auch das Brett fand einen neuen Platz, an dem schon Jahrzehnte die Mitteilungen der Amtsverwaltung angeschlagen waren, so wie die Mobilmachungsorder am 1. August 1914. Das bedeutete den Beginn eines furchtbaren Krieges, den Ersten Weltkrieg. Das letzte Relikt einer ehemaligen Schmiedezunft war nun beseitigt. Doch der Name „Schmies“ ist bis heute geblieben. Seit die Eheleute Fritz und Franziska Schulte ihren Platz im Dorf gefunden hatten, werden sie im Dorf „Schmies“ genannt, denn der Nachname „Schulte“ ist bekanntlich im Sauerland Gang und Gebe, ebenso wie die Verwechslung der vielen Schulten. Und das ist auch in dem kleinen Dorf Sallinghausen nicht anders, obwohl sie nicht oder nur weit miteinander verwandtschaftlich verbandelt sind. Ein Namenszusatz war stets hilfreich und dieser erinnert bis heute noch daran, dass der Begründer ihres Besitztums im späten 18. Jhd. einst ein Dorfschmied war. 

 


Bildbeschreibungen: Unmittelbar an Schmies Schmiedchen stand der Milchbock. Zudem befand sich an diesem kleinen Gebäude das Anschlagsbrett für amtliche Mitteilungen. Man nannte es auch  scherzhaft "Rathaus", da Friedhelm Schulte lange Zeit Ortvorsteher in Sallinghausen war. Im Jahre 1953 wurde die alte Kapelle abgerissen und  gegenüber neu errichtet. Die kleine Schmiede diente zuletzt nur als Brennholzschuppen. 


Ein altes Haus hat Zukunft

Winterliche Idylle am Mühlengraben: wfoto Dezember 2010
Winterliche Idylle am Mühlengraben: wfoto Dezember 2010

So ist Schmies Besitztum immer noch ein Stück gelebter Vergangenheit im Dorf. Ihre Besitzer haben es erhalten und nach ihren Bedürfnissen ständig verändert.

- Im Jahre 1789 wurde der erste Mauerstein vom Dorfschmied Anton Schulte gesetzt und das Haus errichtet.

- Nach einer Markierung im Deelenstein wurde es 1835 durch Johann Friedrich Pieper vergrößert.

- 1910 baute Johann Pieper das Haus nochmals nach seinen Wünschen um, genauso wie es Fritz Schulte nach seinem Erwerb im Jahre 1924 tat.

 

Helmut Schulte, der Enkelsohn von Fritz Schulte, baute 1986 das ihm von seinem Vater Friedhelm 1983 überschriebene Haus wiederum aus und renovierte es grundlegend.

 

Dass Schmies Haus auch jetzt noch eine Zukunft hat, ist bedingt durch einen weiteren Umbau 2022/2023. Der neue Erbe wurde 2021 der Sohn Jan Schulte. Zusammen mit seinem Vater schaffte er im Haus zwei getrennte Wohnbereiche, sodass die untere Etage vermietet und darüber ein Altenteil für die Erblasser geschaffen wurde. Die bestehende Holzheizung wurde durch eine neuzeitliche Gas-Therme ersetzt. Schmies Haus, eines der wenigen noch vorhandenen Gebäude im Dorf, die aus dem 18. Jhd. bestehen, hat wieder eine Zukunft. 

 

Seine Geschichte endet nicht mit diesem Satz, sie wird irgendwann fortgeschrieben. 

 


Anhang:

 

01.  Auszug aus der Chronik der Familie Bürger, Bremscheid: „Das Taufprotokoll unserer Ur-Urgroßmutter Anna Maria Elisabeth, geborene Schulte, aus dem Jahre 1798 nennt ihren Vater, den „incola“ = Einsasse Anton Schulte in Sallinghausen …“

02.  Auszug aus der Chronik der Familie Bürger, Bremscheid: „Anton Schulte wird im Protokoll ersten Eheschließung mit Anna Maria Hammeke auch als „accola“ = Beilieger in Sallinghausen bezeichnet.“

03.  Hinweis in den Schriften des Heinrich Heymer-Schulte.

04.  Das Jahr der Errichtung des Hauses ist den Angaben des Heinrich Heymer entnommen. Es wird Teil einer Inschrift im Balken des Hauses sein. Angeblich soll sich auf der südwestlichen Giebelseite des Hauses ein schmuckes Fachwerk mit Inschriften befinden. Leider ist dieses durch eine, der Witterung trotzenden Giebelverkleidung überdeckt. Diese bestand damals aus mit Teer bestrichenen Blechen; später erneuert mit Kunstschiefer. 

05.  Eine Klanke von Flachs war zusammengedrehter gehechelter Flachs, der zu Leinen weiterverarbeitet wurde.

06.  Die Esse ist der Herd des Metallarbeiters und bezeichnet eine offene Feuerstelle die zum Erhitzen von Eisen beim Schmieden dient. Durch eine regulierbare Luftzufuhr, damals in Form eines Blasebalgs, wird das Eisen auf die erforderliche Temperatur gebracht und erhalten.

07.  Eine alte Redewendung, wenn das Haus brannte. Die lodernden Flammen erinnern an den roten Kamm eines Hahns.

08.  Hinweis zum heutigen Begriff der "Kinderehe" (Siegbert Tillmann in Esloher Museumsnachrichten 2020, Seite 47): Früher wurde der Begriff "Kindheit" anders definiert wie heute. Bis zum Ende des 6. Lebensjahres handelte es sich um Infantes, also Kinder, die noch nicht richtig sprechen konnten. Ab dem 7. bis zum 12. Lebensjahr bezeichnete man sie als puer/puella (Knabe/Mädchen), die schon als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Die Adoleszens (lat. adolescentia) begann bei Mädchen mit dem 12. und bei Jungen mit dem 14. Lebensjahr. Dann waren sie strafmündig und durften heiraten! Die sogenannte sittliche Reife erlangten sie aber erst mit 21 Jahren. Dann durften sie unbeschränkt ein Erbe antreten oder Verträge abschließen. 

09.  So bezeichnete es Heinrich Heymer in seinen Aufzeichnungen.

10.  Hinweis in den Aufzeichnungen des Heinrich Heymer. Dieser wusste noch zu berichten: „Schmies waren immer wohlhabend. Johann Pieper bekam schon im Alter von fünfzig Jahren als erster in der Gemeinde eine Invalidenrente.“ Prof. Dr. Franz Hitze aus Hanemicke hatte an der Ausarbeitung des Invaliden- und Altersschutzgesetz im Deutschen Reich mitgewirkt.

11.  Anna Feldmann, geb. Bürger, berichtet in ihrer Chronik wie folgt: „Die beiden Brüder Johann und Franz Pieper unserer Großmutter in Bremscheid waren von mittlerer Größe, nicht über 175 cm, schlank und bis in ihr hohes Alter relativ gesund und geistig rege.“

12.  In Eslohe war seit dem Tode des Pfarrers Schierhof im Jahre 1879 die Pfarrstelle vakant und wegen dem tobenden Kulturkampf nicht besetzt. Der aus dem Münsterland stammende Kaplan Bernard Bette, der gerade sein einjähriges Jahr absolviert hatte, war von dem Gewerken Gabriel als Erzieher seiner Kinder engagiert worden, fungierte aber heimlich und bei verschlossenen Türen weiter bis er denunziert und zu einer Strafe verurteilt wurde. 1881 wurde aber Johannes Dornseiffer, Vikar in Fretter, als Hilfsseelsorger nach Eslohe ernannt. Nun konnte ihn Kaplan Bette (bis zum 1. April 1884) als Pfarrverweser ohne persönliches Risiko in Eslohe ersetzen. 

13.  Text des Erläuterungsberichtes zum Bauantrag vom 09.03.1910: „Der Schlossermeister Herr Johann Pieper in Sallinghausen beabsichtigt einen Schweinestall zu einem Keller umzubauen. Die Fachwerkwände in demselben werden entfernt und durch eine 1 Stein starke Ziegelsteinmauer ersetzt. Gleichzeitig soll ein Schweinestall neu angebaut werden. Der Raum zu demselben ist bisher schon größtenteils überbaut. Die Umfassungsmauer wird massiv aus Bruchsteinen ausgeführt. Das neu zu bauende Pultdach wird mit Zinkblech eingedeckt. Die Decke wird aus Balken mit Winkelboden hergestellt. Der Fußboden in dem Stall wird mit Ziegelsteinen gepflastert. Die Jauche wird in die schon vorhandene Grube geleitet. Ferner soll der bisherige Keller neben dem Hauseingang zu einem Wohnzimmer umgebaut werden. Die alten äußeren Mauern aus Bruchsteinen werden abgebrochen und an deren Stelle neue Ziegelsteinmauern von 1 ½ Stein Stärke ausgeführt. Ebenfalls soll die Scheidewand nach der Küche hin durch eine Ziegelsteinmauer von 25 cm Stärke ersetzt werden. Die Decke unter dem Zimmer soll aus I Trägern mit Betonkoggen hergestellt werden. Das Zimmer erhält einen Linoleum-Fußboden. Die Größe des Baugrundstücks beträgt 5 ar 10 qm. Unterzeichnet vom Bauherrn: Joh. Pieper und dem Baumeister: Franz Hennecke.“

14.  Hinweis, aus der Chronik von Nurks Hof entnommen: „Den Kaufpreis von 3.000 Reichsmark zahlte Wilhelm Feldmann an Johann Pieper in zwei Raten: Eine Anzahlung am 8.11.1926 über 2.000 Mark bei Vertragsabschluss, der Rest am 11.11.1927 nach Umschreibung in das Grundbuch“.

15.  Am 3. Februar 1989 traf der Chronist in Isingheim den Johannes Pieper, der 1919 geboren und von 1922 bis 1927 mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Anton bei Schmies in Miete war. In einer Gesprächsnotiz wurde festgehalten: „Als Vermieter des Hauses trat zuerst noch Johann Pieper auf, später übernahm Fritz Schulte das Anwesen. Bis 1927 wohnte seine Familie dort, bis sie nach Isingheim übersiedelten. Johannes Pieper kannte noch die alten Verhältnisse im Haus. Es besaß eine Quer-Deele, von der er über eine schmale Treppe auf sein kleines Schlafzimmer gelangte. Dieses Zimmer musste er mit seinem Bruder teilen. Überhaupt waren die Platz- und Wohnverhältnisse sehr bescheiden. Der jetzige Raum links vom Eingang, z.Zt. (1989) als Wohnküche von Friedhelm Schulte genutzt, war ursprünglich noch zu Piepers Zeiten in zwei Räume geteilt. Pieper berichtete, dass das Haus teilweise unterkellert gewesen sei. Es waren sog. Kriechkeller ohne Fenster und Belüftungsmöglichkeit. Der Keller sei von dem Raum rechts vom Eingang gelegen, dem späteren Wohnzimmer, durch eine Luke „begehbar“ gewesen. Bei Hochwasser sei jedoch dieser Keller unter Wasser gestanden, sodass die darin untergebrachten Vorräte darin aufschwammen. Die Kinder mussten oft zur Strafe, wenn sie Dummheiten angestellt hatten, in diesem dunklen Kellerloch ihre Strafe absitzen. Pieper erinnere sich dennoch gerne an diese Zeit seiner Jugend.

 

16.  Eintragung im Personalienbogen für Arbeiter der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft: Die Bahn zahlte als einmalige Unterstützung anlässlich der Erstkommunion der Söhne Josef am 11.04.1933 = 30 Reichsmark und Franz am 26.03.1934 = 25 Reichsmark.