Sie sind oft dem Verfall preisgegeben, die vielen Nebengebäude auf den landwirtschaftlichen Gehöften. Auch wenn sie nutzlos wurden, sie bestimmen das Hofbild und gehören zum Dorf. Wir stehen
dabei und bedauern den stetigen Verfall der alten Bausubstanz. Doch der Erhalt dieser meist betagten Veteranen ist meist sehr kostspielig und nicht rentabel. Der Abriss ist unwillkürlich die
Folge eines Jahrzehnte dauernden Zerfalls. Dem Einsatz und das Zusammentun von engagierten Bürgern ist es oft zu verdanken, dass solche ausgediente Bausubstanz vielfach erhalten blieb, wieder
hergestellt und teilweise auch dem ursprünglichen Nutzen zugeführt wurde. Dafür gibt es in den Dörfern der Gemeinde Eslohe einige Beispiele.
Vom Verfall gerettet wurde in den Jahren 2003, 2004 auch das ehemalige Backhaus auf Nurks Hof in Sallinghausen. Hier jedoch war Eigeninitiative gefragt, da der Erhalt nicht im öffentlichen
Interesse stand und auch eine Wiederherstellung zum ursprünglichen Nutzen nicht das Ziel war.
Ich möchte auf dieser Seite darüber berichten.
Frühjahr 2003: Unser „Backes“ befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Die alten Zement-Dachpfannen sind mittlerweile so porös, dass der Regen schon überall eindringt und an besonders
schlimmen Stellen bereits unüber-sehbaren Schaden angerichtet hat. Die Balken des Dachstuhls sind hier und da schon angefault. Die Entscheidung über Abriss oder Erhalt ist nun fällig. Wir haben
nun einen Entschluss gefasst: Unser altes Backhaus soll erhalten bleiben. Doch es ist Eile geboten, das alte Gebäude wieder so herzurichten, damit es weitere Jahrzehnte unser Hofbild bereichern
kann.
Der frohwüchsige Holunder ist rundherum sehr heimisch geworden und über die Jahre so üppig gewachsen, dass er einerseits im sommerlichen Grün den unschönen Zustand verdeckt, aber auch das Gebäude
sehr bedrängt und bereits beschädigt hat. Unsere erste Aufgabe besteht nun darin, das Gebäude vom wuchernden Grün zu befreien. Nachdem dieses und um- und innenliegender Unrat beseitigt ist, wird
das Ausmaß des Zerfalls erst recht offenbar. Doch wir lassen uns davon nicht entmutigen.
Ordentlich Brennmaterial bringt der Abriss der Holzverkleidung aus „Fichtenschwaten“ vom Dachboden des Backes, der Anfang der siebziger Jahre als Fetenbude von uns Sallinghauser Burschen
ausgebaut war. Viele schöne Stunden beim Einrichten, aber auch beim fröhlichen Feiern haben wir dort erlebt. Nun erwachen wieder viele schöne Erinnerungen daran.
Schnell wird deutlich, wie schlecht der Zustand des Daches bereits ist. Schon bald haben wir die Sparren verstärkt und teilweise erneuert. Nachdem die alten Pfannen abdeckt und entsorgt
sind, wird eine Holzverschalung aufgebracht und vorerst Dachpappe aufgenagelt. Später wird mit neuen Pfannen eingedeckt.
Die teilweise ebenfalls schadhafte Verbretterung an den Giebelseiten wird entfernt und im hinteren Gebäudebereich durch eine neue ersetzt, wobei das Türloch vergrößert und ein Fenster samt einer
abschließbaren Eingangstür eingebaut wird. Auf der Gebäudevorderseite wird ein Sichtfachwerk aufgebracht, was unserem Backhaus nun von der Straßenansicht ein ganz neues, aber sehenswertes
Aussehen verleiht.
Schon ist es Herbst geworden. Strom wird verlegt und installiert. Nun können wir mit dem Innenausbau beginnen. Es soll wieder im Dachgeschoss ein gemütlicher „Feierraum“ eingerichtet werden, der
auch zum Beleben der Sallinghauser Dorfgemeinschaft beitragen kann. Auch der ehemalige Backraum im Erdgeschoss und der angebaute Wagenschuppen ist entrümpelt und nimmt nach geringem Aufwand
vielerlei Gerätschaften für Hof und Garten in sich auf. Auch der alte Leiterwagen findet hier einen trockenen Unterstand und bleibt als Zeuge ehemaliger Landbewirtschaftung der Nachwelt erhalten.
Zur Geschichte des Backes
Wir sind nun froh, dass unser Backhaus vor dem Zerfall verschont blieb und wieder genutzt werden kann, auch wenn dort kein Brot mehr gebacken wird. War doch die ursprüngliche Bestimmung dieses Gebäudes, dessen Alter nicht überliefert ist, das Brotbacken. Jedoch befindet sich auf einem mächtigem Bruchstein, der auf der Gebäuderückseite im Mauerwerk eingelassen wurde, ein mit einem festen Gegenstand hinein geritzten und nur noch bei günstigem Licht erkennbaren Hinweis: „1856“, vermutlich das Baujahr.
Es war Franz Wüllner (* 14.10.1822 + 11.9.1896), Hoferbe auf Nurks Hof, der dieses Backhaus erbauen ließ.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass kurz zuvor und zwar 1852/53, Eberhard Eickhoff, auf dem benachbarten Schultenhof, bereits ein neues Backhaus errichtete. Beide, Wüllner und Eickhoff,
befanden sich damals wegen einem Brückenübergang über den Salweybach heftig im Rechtsstreit. Im Gerichtsprotokoll vom 21.5.1853 wird der veränderte Ortszustand beschrieben, der wenige Monate
vorher durch eine Handzeichnung festgehalten war: „ ...hat sich insoweit geändert, als der Beklagte an dem Salweybache ein neues Backhaus errichtet und sein altes Wohnhaus abgebrochen hat.“
Niemals hätten diese Streithähne ihr Brot gemeinsam gebacken und geteilt, obwohl es vielerorts üblich war, dass in den Dörfern das Brotbacken eine nachbarschaftliche Gemeinschaftsaktion
war.
Wüllner baute einfach aber zweckdienlich. Die Grundmauern, die den Backraum umschlossen, wurden aus heimischem Bruchstein gefertigt. Anders wie in Eickhoffs Backhaus, baute Wüllner den Backofen
nicht innerhalb des Gebäudes ein, sondern ließ diesen außerhalb des Gebäudes, westseitig, anbauen. Dieser wurde aber vom Backraum aus befeuert. Die Wölbung des Backofens war aus Backsteinen
ausgebaut. Ein Überdach schützte ihn vor der Witterung.
Aus der ordentlichen Höhe der Bruchsteinwände kann vermutet werden, dass sich darüber ursprünglich nur ein niedriger Dachboden (Krichboden) befand. Denkbar ist auch, dass der Backraum keine
Zwischendecke besaß und bis zum Dachfirst geöffnet war. Es waren nur relativ kleine Fensteröffnungen vorhanden, wovon heute noch zwei bestehen: eins zur Westseite und ein weiteres auf der
Unterseite, nun innen zum Schuppen hin.
Um 1920 ist beim Befeuern des Backofens ein Brand entstanden, der den Dachstuhl so beschädigte, vielleicht sogar vernichtet hat, dass ein umfangreicher Wiederaufbau erforderlich war. Unser
Großvater, Wilhelm Feldmann, war damals Eigentümer und hatte sich entschlossen, nun eine Zwischendecke einzuziehen und einen begehbaren Dachboden zu schaffen. Außerdem sollte ein Wagenschuppen
auf der Vorderseite angebaut werden. Zur Planung seines Vorhabens beauftragte er 1924 den Architekten Josef Stracke aus Eslohe.
„Wegen Baufälligkeit der Decke in meinem Backhause sehe ich mich veranlasst, eine gründliche Renovierung vorzunehmen und beabsichtige hierbei ein Drempel-stock auf dasselbe aufzubauen sowie einen
kleinen Schuppen (zur Aufbewahrung kleiner landwirtschaftlicher Geräte) anzubauen.“ Der Antrag wurde baupolizeilich am 22. Februar 1924 geprüft und genehmigt.
Wie beantragt wurde das Backhaus wieder hergerichtet, versehen mit größeren Fenstern, die im Eingangsbereich ostseitig eingelassen wurden. Vom ursprünglichen Plan, durch Unterteilung eine
getrennte Backstube vom Heizraum zu schaffen, wurde abgesehen, da die Backvorbereitungen und die Lagerung des Brotes im Wohnhaus erfolgten. Die schwarz verrußte Wand oberhalb der Mündung,
so nennt man die Einschiebeöffnung des Backofens, zeugt noch heute davon, dass hier einst gebacken wurde. Noch bis Ende des zweiten Weltkrieges wurde der Backofen mit Holz eingeheizt.
Über das Brotbacken
Meistens wurde Buche verwendet, da sie die beste Hitze gibt. Zwei bis drei Stunden vor dem eigentlichen Backvorgang musste eingeheizt werden. Die Holzscheite wurden locker im Ofen aufgeschichtet.
Wenn genug Hitze im Ofen war, glühte das ganze Innere des Ofens weißlich. Anschließend wurde Glut und Asche ausgekehrt und mit einem nassen Sack die Grundfläche, Herd genannt, gesäubert. Sodann
war der Backofen bereit, die vorbereiteten Brotlaibe in sich aufzunehmen.
Gebacken wurde fast ausnahmslos Roggenbrot. Weizen, das heutige Hauptbrotgetreide, wurde damals fast gar nicht im Sauerland angebaut, da es hohe Ansprüche an Klima und Boden hat. Es musste
deshalb zugekauft werden, und „das saß nicht immer dran“. Ein altes Sprichwort sagt deshalb: „Christtag backt es jedermann, Ostern, wer es eben kann und Pfingsten bloß der reiche Mann.“
Um möglichst viele Brotlaibe in den Ofen hineinschieben zu können, wurden diese meist eckig geformt. So konnte der Herd ausreichend genutzt werden. Zudem verringerte das enge Nebeneinanderliegen
die Krustenbildung. Wichtig beim Einschieben war zudem, dass auf die Laibe keine Zugluft einwirken konnte.
Nachdem nun die Mündung fest verschlossen wurde blieb das Bauernbrot meist etwa 1 ½ Stunden im Ofen. War das Brot gar, erfolgte das Herausholen mit einem Backschieber, auch Schießer genannt. Zum
Abkühlen blieben die Brote im Backhaus, wurden dann aber ins Wohnhaus getragen, wo sie im Keller gelagert waren, meist im Backtrog, in dem der Teig geknetet worden war.
Gebacken wurde alle zwei bis vier Wochen, je nach Bedarf. Bei richtiger Lagerung hielt sich das Brot über Wochen, wurde aber zusehend ungenießbarer. Doch niemals wurde Brot in den Abfall geworfen
oder ließ man etwas davon verkommen. Viel zu wertvoll ist dieses Grundlebensmittel. Harte, mühsame Arbeit steckte im Brot: von der Aussaat bis zur Ernte des Getreides bis zum fertig gebackenen
Brotlaib.
Schon Ende der fünfziger Jahre war unser Backofen in sich zusammengebrochen. Zwischen Backsteinen und Lehm unterm Überdach zogen sich mit Vorliebe die Hühner zurück. Dort legten sie dann ihre
Eier hinein. Manche Henne brütete dort ihre Küken aus, um sie dann eines Tages stolz uns und der gesamten Hühnerschar zu präsentieren.
Aus dem Backraum erklang in den Sommermonaten das Schlagen der Sense. Unser Großvater hatte dort seinen Platz zum „Dengeln“ eingerichtet. So hieß damals die Bearbeitung der Sensen, damit diese
geschärft wurden. Schleifstein, Heutrage und andere Gerätschaften waren dort abgestellt. Im angrenzenden Schuppen war der Pferdeschlitten untergebracht. Im Dachboden lagerte geschnittenes Holz
und Geräte zur Flachsbearbeitung, die man längst nicht mehr benötigte.
Die Zeiten haben sich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg gewandelt, wie die Menschen es noch nie in der Geschichte zuvor erlebt haben.
Vieles ist unbrauchbar geworden, wird nicht mehr benutzt und erfüllt den ursprünglichen Sinn nicht mehr. So wie unser Backhaus. Es wird die ihm einst zugewiesene Aufgabe nie mehr erfüllen. Doch
es bleibt weiterhin erhalten, ist wieder ein ansehnlicher Zeitzeuge seiner Epoche.
Die Nachkriegsgenerationen auf unserem Hof haben nie erlebt, dass hier noch Brot gebacken wurde. Doch wer den Geruch des frischen Brotes riechen und das noch handwarme knusprige Backofenbrot
essen möchte, der hat auch heute noch die Gelegenheit dazu. In den eigens für kulturelle und heimatpflegerische Zwecke mit öffentlichen Mitteln wieder hergerichteten Backhäusern, wie in
Cobbenrode und Wenholthausen, kann das Brotbacken unter fachkundiger Anleitung wieder neu erlebt werden.
Nur zu gerne erinnere ich mich an die zahlreichen Feten in den siebziger Jahren. Wir brauchten keinen öffentlich finanzierten Jugendraum, keine Betreuung und Aufsicht. Wir hatten unseren Fetenraum auf dem Backes, den wir uns selber eingerichtet hatten. Diese Zeit war im zeitlich Abstand gesehen für uns eine "heile Welt", in der wir außer mit Liebeskummer und mancher Katerstimmung mit keinen Sorgen und Beschwerden belastet waren. Hier störten uns keine unwirschen Nachbarn, weil einmal wieder die Musik zu laut war. (Fotos aus 1973)
So präsentiert sich unser Backes heute: Für gesellige Stunden im kleinen Rahmen, für die mittlerweile "gesetztere Jugend".
Etwas Wohlfühl-Atmosphäre auf eigenem Grund mit dem Bewusstsein alte Bausubstanz erhalten und es für die Zukunft - wenn auch für andere Zwecke - nutzbar gemacht zu haben.
Wiedergefunden und damals von mir selbst verfasst im Februar 1975:
Sallinghausen, auf Feldmanns Hof,
da steht ein Häuschen, nicht sehr groß.
„Backes“ wird die Bude genannt,
die schon zu Großvaters Zeiten bestand.
Einst hatten Mäuse dort ihr Nest,
heut‘ feiert die Jugend dort ihr Fest.
Wo einst Heu gelagert,
wird heute wild geschlagert.
Vier Jungens hatten diese Idee
und wie man sieht, sie schlug nicht fehl.
Die Namen, ihr wollt sie wissen?
Es waren Wilhelm, Rolf, Hubert – und Heinz nicht zu vergessen.
Die Leitung hat der Rolf gelegt,
der Wilhelm hat den Dreck gefegt.
Heinz und Hubert, das Schreinerpaar,
waren zum Hämmern immer da.
Die Schwarten sind vom Sägewerk Sapp genommen,
nicht alle sind heil angekommen.
Nachdem alle Wände waren verziert,
wurde nach dem Bier gegiert.
So manches Fest, was hier gestartet,
in eine Orgie ausgeartet.
Wie es zugeht sollt ihr selber sehen,
drum müsst ihr mal nach Feldmanns gehen.