„Sind Streuobstwiesen noch zeitgemäß oder waren sie nur eine kurzzeitige Erscheinung?“
Diese Frage stellte ich mir im Jahre 2003 und recherchierte nach dem Ursprung dieser Obstkultur, die hier im Sauerland ihre Blütezeit bereits überschritten hatte.
Es entstand ein umfassender Bericht mit dem Titel: „Für des Menschen Leib und Seele“, der in den Esloher Museumsnachrichten abgedruckt wurde und hier nun für Dich als PDF-Datei zur Verfügung steht.
Ich kam damals, bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema, zu der Einsicht, dass unsere Heimat mit herben und nasskalten Klima für den Obstanbau nicht optimal geeignet ist und es Jahrhunderte
gebraucht hat, diesen in unseren Breiten zu etablieren. Erst die Züchtung von Obstsorten, die diesem Standort angepasst sind, ließ erträgliche Ernteergebnisse zu und verschaffte den Bauern ein
weiteres Zubrot beim Verkauf der gesunden und geschmackvollen Früchte.
Dennoch stellte sich das Sauerland als Anbaugebiet in Bezug auf das Klima nicht als bevorzugte Region heraus. Es sind auch heute noch die späten Fröste im Frühjahr, die den hoffnungsvollen
Blütenstand nicht selten vollständig vernichten.
Das Vieh hält sich an warmen Tagen gern unter den schattigen Obstbäumen auf. Die Obsternte aus den Hochstämmen erweist sich oftmals als eine waghalsige Aktion. Volle Körbe sind der Lohn der Arbeit. Im Herbst zeigt sich, ob es ein gutes Obstjahr war: Blühen-Gedeihen-Wachsen-Ernten
Die mit allerlei Obstsorten bestandenen Grünflächen, die als „Streuobstwiesen“ bezeichnet werden, waren und sind eine nicht nur optische Bereicherung der Dörfer, sie sind auch ökologisch wertvolle Grüngürtel. Im Mittelalter waren sie untypisch für unsere Gegend und meistens nur in den Gärten der Klöster und auf den Gütern der Adeligen vorzufinden. Erst im Laufe der Jahrhunderte, da Aufklärung und wirtschaftliche Entwicklung das gesellschaftliche Denken erweiterte, setzte sich auch auf den Höfen des Sauerlandes die Bereitschaft durch, Neues auszuprobieren und das Wissen über die richtige Handhabung des Obstbaus, wie das Veredeln, anzunehmen, weiterzuführen und zu entwickeln.
Den Errungenschaften der Neuzeit zum Opfer gefallen
Besonders ärgert mich, dass vor fast fünfzig Jahren eine unsinnige Agrarpolitik, die den intensiven Obstanbau fördern wollte, einen nicht wieder gut zu machenden Beschluss gefasst hatte. Mit der
Zahlung einer Rodungsprämie sollte der Markt entlastet und nicht „vermarktungswerte“ Früchte aus dem Markt genommen werden. Es hat dazu geführt, dass zahlreiche „Streuobstwiesen“ systematisch
abgeholzt und wertvolle Obstbestände für immer vernichtet wurden. Wieder einmal war die schnelle Mark vielerorts stärker als die Wertschätzung der alten, nicht mehr ersetzbaren Obstsorten.
Dadurch ist nicht nur ein kultureller Schaden entstanden.
Polyphenol ist das Zauberwort
Millionen Menschen in Deutschland, und dazu gehört der Verfasser, reagieren oft allergisch nach dem Verzehr von Kernobst (Pflaumen, Kirschen, Birnen, Äpfel, Wal- und Haselnüsse). Sie schätzen die
alten Obstsorten umso mehr, da bekannt und auch meine Erfahrung ist, dass besonders die alten Apfelsorten aufgrund ihres hohen Polyphenol-Gehalts gut verträglich sind. Dieser Stoff, der
vermutlich die allergenen Stoffe unschädlich macht, befindet sich besonders in den ursprünglichen Sorten. Er bewirkt jedoch, dass der Apfel zwar aromatisch, aber weniger süß ist und nicht immer
eine ganz perfekte Form hat. Auch verfärbt sich beim Anschneiden schneller das Fruchtfleisch.
Doch leider schätzt der unkritische Verbraucher die optischen Vorteile der Neuzüchtungen und ist sich nicht bewusst wie sein Kaufverhalten den Markt veränderte, und das nicht nur im guten Sinne.
Wie gut, dass sich ein uralter Apfelbaum dort oben am Hügel erhalten hat. Seine „Bossköpfe“, so nennen wir Sauerländer diese robuste alte Apfelsorte, sind schmackhaft, bis in die späten
Wintermonate haltbar und ihr Genuss verursacht keine unangenehmen allergischen Reaktionen.
Ich stehe mit meiner Geisteshaltung zu diesem Thema nicht alleine. Der Erhalt der Streuobstwiesen liegt vielen Menschen am Herzen. Ein Umdenken, wenn auch zögerlich, ist zu spüren. Und auch die
Obstbauern im Alten Land, am Bodensee und anderswo, erinnern sich mehr und mehr an die Vorzüge der alten Sorten. Rückzüchtung nennt man ein Forschungsfeld, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Das Umdenken der Verbraucher und das damit einhergehende veränderte Kaufverhalten kann in dieser Hinsicht die Welt verändern.
Auch mein Fotofreund Thomas Haas aus Ulm hat sich dem Thema Streuobstwiesen aktiv befasst. Mit wachem Geist und offenen Augen hat er eine Obstwiese in seiner Gegend durch ein ganzes Jahr hindurch begleitet. Heraus gekommen sind wertvolle Erkenntnisse und eine sehenswerte Seite auf seiner Homepage. Gerne habe ich seinem Wunsch entsprechend, mich mit einem abschließenden Wort dort eingebracht. Schau mal hinein in Thomas Welt. Es lohnt sich, dort etwas länger zu verweilen: