Eine unfreiwillige Landung


Auch in unserer heutigen technisierten Welt erregt das Auftauchen eines meist werbewirksam bedruckten Heißluftballons am Horizont einiges Aufsehen. Noch so eilige Zeitgenossen halten inne und starren gen Himmel, Kinder winken und rufen Hunde ziehen den Schwanz ein und sind sichtlich irritiert. Auch unter Fachleuten gilt die „Fahrt“ mit einem Heißluftballon als etwas ganz Besonderes. Das lautlose Dahingleiten in gemäßigtem Tempo, ein frisches Windchen um die Nase und eine uneingeschränkte Rundumsicht verleiht ein unvergleichliches Gefühl von Freiheit. Ein Hauch von Abenteuer ist auch heute noch spürbar, trotz ausgereifter Technik und ausgeklügelter Sicherheitsmaßnahmen.

Wesentlich gefährlicher war jedoch in früherer Zeit der Einsatz eines mit Gas gefüllten Freiballons, der mit Ballastabwurf und Gasablass gesteuert wurde. Diese Gasballone wurden bereits kurz nach der Jahrhundertwende vom Deutschen Reichsheer zu Aufklärungszwecken eingesetzt und mussten nicht selten unfreiwillig ihre Fahrt beenden.

 

So konnte die hiesige Tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 21. Mai 1913 von dem glimpflichen Ausgang einer Notlandung bei Husen berichten:

Auch am 13. September 1916, inmitten des ersten Weltkrieges, machten die Einwohner des sonst so beschaulichen Dorfes Sallinghausen eine unerwartete Bekanntschaft mit dem technischen Fortschritt. Sie trauten ihren Augen kaum, denn was da so plötzlich über ihnen in den Lüften schwebte, war ihnen nur aus Zeitungsberichten bekannt:
Ein riesiger Freiballon, der rasch an Flughöhe verlor, schickte sich nun an, wenn auch unfreiwillig, ihre Bekanntschaft zu machen. Dieses Ereignis erweckte sehr schnell die Aufmerksamkeit. Alles was Beine hatte, eilte auf Zurufen herbei. Die Arbeit auf dem Feld und Hof war nun Nebensache.
Gebannt schaute man dem aus westlicher Richtung heran schwebenden Ungetüm entgegen. Schnell war erkennbar, dass die Besatzung Schwierigkeiten hatte. Die Männer warfen Ballast aus der Gondel, um verlorengegangene Flughöhe wieder-zugewinnen. Doch dieses Unterfangen schien keinen Erfolg zu haben. Der Wind trieb den Ballon in Richtung Estenberg, so dass man sich auf eine unfreiwillige Landung auf einer Rinderweide vorbereiten musste. Gas wurde abgelassen. Der Sinkflug beschleunigte sich, jedoch zu spät. Ein Knacken und Brechen von Holz wurde hörbar. Die Gondel verfing sich in den Baumkronen eines angrenzenden Laubholzbestandes und versank förmlich darin. Die mittlerweile kraftlose und gasgeleerte Ballonhülle breitete sich darüber aus.

Der Schrecken der Beobachter hielt nicht lange an. Einige Männer machten sich sofort auf den Weg um Hilfe zu leisten, verfolgt von Kindern, die sich das Schauspiel auch nicht entgehen lassen wollten. Unter ihnen befand sich auch Wilhelm Molitor, der als Kind in Sallinghausen aufwuchs. Der 1997 im hohen Alter gestorbene ehemalige Sallinghauser war ein Zeitzeuge, der dieses Ereignis miterlebt hat. Atemlos am Ort des Geschehens eingetroffen, mussten die eifrigen Retter erleichtert feststellen, dass die Ballonfahrer die harte Landung körperlich unversehrt überstanden hatten. Diese hatten sich schon aus dem in luftiger Höhe schwebenden Korb gehangelt und beratschlagten bereits, wie sie ihr Luftschiff bergen könnten. Die nahenden Sallinghauser kamen ihnen dabei sehr zurecht. Schnell schloss man Bekanntschaft. Es stellte sich heraus, dass die Fremden vom Luftschifftrupp V. aus Düsseldorf stammten und sich auf einem Erkundungsflug befanden, bevor sie hier unfreiwillig Rast einlegen mussten. Nachdem Leiter und Stangen herangeschafft waren, konnte der Ballon fast unbeschädigt befreit werden.
Für die Kinder war all' dies eine willkommene Abwechslung. Obendrein wurden sie noch reichlich mit Bonbons beschenkt. Das war damals etwas ganz Besonderes und deshalb Wilhelm Molitor im Gedächtnis haften geblieben. Die Ballonfahrer erkundigten sich bald nach einer guten Unterkunft mit Beköstigung und Telefon, da sie ihre Reise nicht mehr am gleichen Tage fortsetzen konnten. In der Pension des Sallinghauser Mühlenbesitzers Franz Sternberg war damals so etwas zu haben. ,,Millimeterfranze", so nannte man Sternberg weit und breit, da er für seine besonders exakt geschnittenen Bretter bekannt war. Ihm kamen die Gäste aus Düsseldorf gerade recht. Als technisch begabter Zeitgenosse nutzte er die Situation wohl reichlich aus, seinen Wissensdurst zu stillen. So fanden die Rheinländer Gefallen an Sternbergs gastlichem Hause.

Ein moderner Heißluftballon auf seiner Fahrt über dem Wennetal bei Gut Wenne
Ein moderner Heißluftballon auf seiner Fahrt über dem Wennetal bei Gut Wenne

Bereits einige Tage nach Abreise der Luftschiffbesatzung konnte der Postbote einen Briefumschlag in Sallinghausen abliefern, dessen Inhalt uns heute von dem denkwürdigen Ereignis im Jahre 1916 berichten kann. Folgender Text ist der Feldpostkarte, gerichtet an den Mühlenbesitzer Sternberg zu Sallinghausen bei Eslohe, zu entnehmen:

 

,,Düsseldorf-Lohausen, den 21.9.1916
Nochmals besten Dank für die Hülfeleistung bei der Landung des Ballons “Bükendorf" am 13.9. bei Sallinghausen. Anbei einige Bilder zur frdl. Erinnerung.
Mit besten Grüßen.
Weymann, Hauptmann d.L.(der Lüfte)"